Bund, Kantone und Gemeinden schränken die Grundrechte von Asylsuchenden zuweilen unverhältnismässig stark ein; etwa, indem sie ihre Bewegungsfreiheit durch Rayonverbote begrenzen. Zu diesem Schluss kommt ein Rechtsgutachten der Universität Zürich.
Rechtliche Grundlage unabdingbar
Für Schlagzeilen sorgte etwa die Gemeinde Muri im Kanton Aargau, als sie im Herbst 2015 Asylsuchenden den Besuch von Spielplätzen und Schulhausanlagen verbot. Die damalige Begründung des Gemeindepräsidenten: Die Sicherheit der Bevölkerung müsse gewährleistet sein.
Diffuse Ängste genügen nicht für ein Bewegungsverbot.
Für Martine Brunschwig Graf, Präsidentin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR), ist das ganz klar kein Grund, um die Bewegungsfreiheit von Asylsuchenden einzuschränken: «Diffuse Ängste genügen nicht für ein Bewegungsverbot», betont sie. Um gegen Asylsuchende ein Rayonverbot zu verhängen, brauche es immer eine klare rechtliche Grundlage.
«Es müssen ein öffentliches Interesse und eine konkrete Störung vorhanden sein», so Brunschwig Graf. Allein die Tatsache, dass die Leute Angst hätten, genüge nicht, um ein Rayonverbot für Asylbewerber zu verhängen.
Gleiche Rechte für alle
Asylsuchende hätten in der Schweiz grundsätzlich die gleichen Grundrechte wie alle anderen Personen, hält die EKR in ihrer Mitteilung fest. Das gehe in der öffentlichen Debatte über Asylsuchende manchmal vergessen.
Kollektive Rayonverbote sind verfassungswidrig
«Kollektive Ein- und Ausgrenzungen verletzen die Bewegungsfreiheit, da sie weder auf einer genügenden Grundlage beruhen noch ein verfassungsrechtlich schützenswertes öffentliches Interesse verfolgen» schreiben die beiden Gutachterinnen Regina Kiener und Gabriela Medici vom Kompetenzzentrum für Menschenrechte der Universität Zürich in ihrem Gutachten. Dieses wurde in Auftrag der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR) erstellt. |
Die Kommission will Rayonverbote für Asylsuchende aber nicht grundsätzlich verteufeln: Gerade bei abgewiesenen Asylsuchenden gehören solche Verbote zu den gesetzlich vorgesehenen Zwangsmassnahmen, um die Leute zur Ausreise zu bewegen. So verhängt zum Beispiel der Kanton Zürich jedes Jahr rund 300 solcher Rayonverbote. Die betreffenden Asylsuchenden dürfen dann ihre Wohngemeinde nicht mehr verlassen.
Hilfestellung für die Behörden
Diese Massnahmen hätten normalerweise die nötige rechtliche Grundlage, sagt EKR-Präsidentin Brunschwig Graf. Mit dem jetzt vorliegenden Rechtsgutachten der Universität Zürich wolle die Kommission aber dort Klarheit schaffen, wo sich die Behörden nicht ganz sicher seien. Man könne diesen so aufzeigen, in welchen Fällen Rayonverbote möglich seien und in welchen nicht.
So ist das Motiv der EKR für das Gutachten kein politisches: Die Antirassismus-Kommission will in erster Linie aufklären, und nicht etwa die aktuelle Einwanderungsdiskussion in der Schweiz zusätzlich befeuern.