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Drohungen gegen Politiker nehmen zu
Aus Echo der Zeit vom 04.01.2018.
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Drohungen gegen Politiker «Ich weiss, wo Sie wohnen»

Immer häufiger werden Politiker bedroht. Alt Nationalrätin Ruth-Gaby Vermot erzählt, was sie im «Giftschrank» entsorgt hat.

Drohungen gegen Menschen, die auf der öffentlichen Bühne stehen, nehmen zu. Fast jeder Politiker, fast jede Politikerin kann davon erzählen, tut es aber nicht. Denn das lädt nur zu weiteren Verleumdungen ein.

Ruth Gaby Vermot in einer Aufnahme von 2004
Legende: Vor zehn Jahren hat sich Vermot aus der Politik zurückgezogen. In ihrer aktiven Zeit erlebte sie Drohungen aller Art. Keystone/Archiv

Eine, die vieles erlebt hat, ist die frühere SP-Nationalrätin Ruth-Gaby Vermot. Sie hat sich vor zehn Jahren aus der Politik zurückgezogen. Deshalb ist sie bereit, zu erzählen, was geschah und wie sie damit umging.

In ihrem früheren Büro stand der Giftschrank. So nannte ihn ihre Mitarbeiterin. In diesem Giftschrank standen Ordner – Ordner, in denen das dunkle Kapitel der langjährigen Politikkarriere von Ruth-Gaby Vermot stand: «In den Ordner kamen sehr, sehr viele hässliche, schreckliche Drohungen an meine Adresse.»

Den Giftschrank hat die frühere SP-Politikerin entsorgt. In ihrem Gedächtnis leben die Drohungen aber weiter:

Ich weiss, wo Sie wohnen...Sie werden noch von mir hören...Ich habe Sie gestern Abend um 10:52 nach Hause kommen sehen, ich hätte nur noch abdrücken müssen.
Autor: Ruth-Gaby VermotÜber Drohungen während ihrer Polit-Karriere

Solche Drohungen würden unter die Haut gehen, sagt Vermot: «Sie lassen einen nicht kalt.» Am häufigsten erhielt die SP-Nationalrätin solche Hasschriften damals, als sie sich für die Rechte von Flüchtlingen einsetzte in den Beratungen des neuen Asyl- und Ausländergesetzes. Und damals, als sie im Parlament für ein Gesetz gegen die Gewalt an Kindern kämpfte.

Manche Leute riefen auch bei ihr zu Hause an. Vor allem Männer hätten sie über das Telefon angeschrien und ihr gesagt, dass «ein Chlapf zu rechten Zeit» das Richtige sei, erinnert sich die langjährige Politikerin: «Ich konnte das nicht verstehen. Es ging um den Schutz von Kindern vor Gewalt, was kann man da dagegen haben? Es waren wirklich böse, böse Telefonate.»

Wenn Grenzen überschritten werden

Einzelne Drohbriefe könne man wegstecken, sagt Vermot. Aber die schiere Anzahl davon, darunter auch sehr konkrete Gewaltdrohungen, das zermürbte sie mit der Zeit: «Es ging dann nicht mehr. Solche Drohbriefe demontieren mich als Person, machen mir Angst, gehen unter die Haut. Vor allem, als dann noch meine Kinder miteinbezogen wurden mit Drohungen wie ‹Ich weiss, wo Ihre Kinder in die Schule gehen›.»

Die Sozialdemokratin schaltete die Polizei ein. Ihr Haus wurde monatelang von einer Patrouille bewacht. Im Fall einer wiederholten Todesdrohung reichte Vermot Strafanzeige ein. Die Bundespolizei ging beim Täter vorbei und fand ein Waffenarsenal. Sein Auto war in der Nähe ihrer Wohnung parkiert, mit zwei Pistolen darin.

Alltag im Politgeschäft

Was die ehemalige Nationalrätin erlebt hat, ist Alltag. Linke wie rechte Politiker erhalten regelmässig wüste Beschimpfungen und Drohungen, meistens anonym. Und dies immer häufiger: Vor vier Jahren erhielt die Bundespolizei fedpol noch 123 Meldungen wegen Drohungen, im letzten Jahr waren es mehr als 1700.

Der drastische Anstieg lässt sich teilweise damit erklären, dass fedpol Amtsträgerinnen und Amtsträger in den letzten Jahren ermutigt hat, Drohungen zu melden. Ein wichtiger Faktor für die Zunahme sind aber auch die sozialen Medien.

Früher verpuffte die erste Wut oft, bevor der Drohbrief verfasst und ausgetragen war. Eine E-Mail oder eine Schmähung via soziale Medien ist viel schneller verschickt. Die Anonymität im Netz lässt die Hemmschwelle weiter sinken.

Legende:
Drohungen gegen öffentliche Personen Die Zahlen für das Jahr 2017 erscheinen mit dem Jahresbericht vom kommenden April. Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement EJPD

Die stärkste Zunahme erfolgte im Jahr 2015. Damals sei die Stimmung im Land wegen den Flüchtlingen aus Syrien und den Parlamentswahlen angeheizt gewesen, sagt fedpol-Sprecherin Lulzana Musliu: «Wir haben festgestellt, dass vor allem die EU- und die Migrationspolitik zu vielen Rückmeldungen seitens der Bürger führen. Es können Unmutsäusserungen sein, aber es kann bis hin zu Drohungen gegenüber Bundesräten oder Parlamentariern gehen.»

Vermot liess sich nicht unterkriegen

Die Bundespolizei gehe jedem Fall nach, erklärt die fedpol-Sprecherin: «Bei Briefen oder E-Mails können wir herausfinden, wo sich die Person befindet. Vielfach sind diese Drohungen auch gar nicht anonym. Gemeinsam mit der Kantonspolizei gehen wir dann hin, um uns einen Eindruck über die Person zu verschaffen.» Kommt es zu einer Verurteilung, droht dem Täter oder der Täterin eine Geldstrafe oder bis zu einem Jahr Gefängnis.

Für die Politikerin bleibt aber der schale Nachgeschmack. Und die Furcht vor weiteren Zuschriften. Manchmal, sagt Ruth-Gaby Vermot, manchmal, wenn sie nach einer Rede im Nationalratssaal zurück an ihren Platz ging, da habe sie sich gedacht: Das gibt sicher wieder Drohbriefe. «Aber dann habe ich bewusst gesagt, dass das meine Politik ist: Ich bin eine Linke, eine engagierte Frau. Das war schon immer mein Kompass: Trotz der Drohungen weiche ich nicht ab.»

Gespräche mit Freunden und Familie hätten geholfen, das alles wegzustecken. Und die Wut über diese Feiglinge, die ihre Privatsphäre verletzten. Nicht zuletzt konzentrierte sich die ehemalige SP-Nationalrätin auf die grosse Unterstützung, die sie für ihre Politik auch erhielt.

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