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Entscheid des Bundesgerichts Gericht muss Internet-Überwachung durch Nachrichtendienst prüfen

  • Wie weit darf der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) gehen? Kann er jemanden beim Surfen im Internet überwachen oder die Mails mitlesen?
  • Mit dieser Frage muss sich das Bundesverwaltungsgericht nun doch befassen – obwohl es das gar nicht wollte.
  • Die Begründung des Bundesgerichts: Es gehe um wichtige Fragen von Bürgerrechten.

Terrorismus und organisierte Kriminalität bekämpfen – das sind die Ziele des neuen Nachrichtendienstgesetzes. Dazu darf der Nachrichtendienst anhand von Stichwörtern oder IP-Adressen den Mail- und Internetverkehr zwischen der Schweiz und dem Ausland durchsuchen.

Für die Digitale Gesellschaft Schweiz, die sich für Bürgerrechte im Umfeld des Internets einsetzt, ist das alles zu willkürlich und zu wenig transparent.

Möchten Sie wirklich, dass der Geheimdienst weiss, wenn Sie zum Psychiater gehen? Oder ein Anliegen bei einem Rechtsanwalt haben?
Autor: Martin Steiger Digitale Gesellschaft Schweiz

Auch die Daten von unbescholtenen Bürgerinnen und Bürgern könnten so vom Nachrichtendienst abgefangen werden, befürchtet Martin Steiger, Rechtsanwalt und Sprecher der Digitalen Gesellschaft.

Man könne ja der Ansicht sein, man habe nichts zu verbergen. Aber, so Steiger: «Möchten Sie wirklich, dass der Geheimdienst weiss, wenn Sie zum Psychiater gehen? Oder ein Anliegen bei einem Rechtsanwalt haben?»

Kabelaufklärung ist Massenüberwachung

Vor Bundesgericht hat jetzt die Digitale Gesellschaft, zusammen mit sieben Privatpersonen, einen Erfolg erzielt. Zwar äussert sich das höchste Schweizer Gericht nicht materiell dazu, ob die Kabelaufklärung die Grundrechte verletzt.

Aber das Bundesgericht anerkennt erstmals, dass es sich bei der Kabelaufklärung um eine Massenüberwachung handelt. Denn auch ein Grossteil der inländischen Kommunikation über E-Mail und Internet erfolgt über ausländische Server und Netzwerke.

Vereinbar mit Grund- und Menschenrechten?

Mit der Frage, ob das vereinbar ist mit grundlegenden Bürgerrechten, muss sich jetzt das Bundesverwaltungsgericht befassen. «Es wird genau geprüft werden müssen, was geschieht: Wie wird das beaufsichtigt, wer wird ins Visier genommen? Sind die Grund- und Menschenrechte gewahrt?», so Steiger.

Der NDB erklärt auf Anfrage, man habe das aktuelle Urteil des Bundesgerichts zur Kenntnis genommen, möchte sich aber nicht dazu äussern. Vorderhand dürfte sich an der Arbeit des Nachrichtendienstes nichts ändern. Das würde wohl nur dann passieren, wenn das Bundesververwaltungsgericht zum Schluss kommen sollte, dass gewisse Aspekte der Kabelüberwachung problematisch sind.

Rendez-vous vom 28.12.2020, 12:30 Uhr

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