SRF News: Wie steht es um unsere Gewässer? Darf man noch darin baden?
Christian von Burg: Für uns Menschen ist es zum Glück nicht gefährlich. Wenn Kinder in einem Bächlein baden, sollte ihnen das nicht schaden. Für die Tiere hingegen sieht es anders aus. Das Wasserforschungsinstitut Eawag der ETH hat zum ersten Mal anhand von fünf ausgewählten Bächen in der Schweiz untersucht, wie sich die Pestizidbelastung im Verlauf des Tages entwickelt.
Es zeigte sich: Nirgends wird die Gewässerschutzverordnung eingehalten. Bei zwei der Gewässer, in Basel-Landschaft und im Thurgau, wurden die Grenzwerte sogar dauernd überschritten. Es ist zu viel Gift in unseren Bächen.
Darum geht es:
- Kleine Fliessgewässer sind gemäss einer Studie stark verschmutzt.
- Hauptverantwortlich sind Pflanzenschutzmittel aus der Landwirtschaft.
- Ein Aktionsplan des Bundesamtes für Umwelt soll Abhilfe schaffen.
Teilweise sind die Werte in den Bächen akut toxisch. Was bedeutet das?
Es bedeutet, dass kleine Tiere, wie etwa Bachflohkrebse, sterben. Die Wissenschaftler haben diese Tiere in kleinen Behältern direkt in die verschmutzten Bäche gesetzt und geschaut, was passiert. Bachflohkrebse sind wichtig für den Bach als Ökosystem. Sie bauen zum Beispiel die Blätter ab, die im Herbst ins Wasser fallen. Und sie werden von Fischen und anderen Tieren gefressen.
Auch wenn die Fische nicht an den Pflanzenschutzmitteln sterben: Ihnen stirbt die Nahrungsgrundlage weg.
Pflanzenschutzmittel verschmutzen unsere Bäche. Sind die Bauern schuld?
In den fünf untersuchten Fällen ist das so. Hobbygärtner verwenden zwar auch Pestizide. Aber diese Studie wurde so angelegt, dass die Wasserproben in fast ausschliesslich landwirtschaftlich genutzten Gebieten gesammelt wurden. Solche kleinen Bäche machen Dreiviertel des Gewässernetzes der Schweiz aus.
Die Details zur Studie des Wasserforschungsinstituts Eawag
• Letztes Jahr hat die Eawag in den Kantonen Thurgau, Basel-Landschaft, Bern, Wallis und im Tessin rund 1800 Wasserproben gesammelt. |
• 128 verschiedene Wirkstoffe aus Acker-, Gemüse-, Obst- und Rebbau wurden nachgewiesen: 61 Herbizide, 45 Fungizide und 22 Insektizide. |
• In 80 Prozent der Proben ist die Anforderung der Gewässerschutzverordnung von mindestens einem Stoff nicht eingehalten worden. |
• Im Weierbach (BL) und im Eschelisbach (TG) wurden während der ganzen sechsmonatigen Studiendauer Grenzwerte überschritten. |
Und säubern oder klären kann man diese Bäche nicht?
Nein, denn die Pestizide sickern mit dem Wasser in die umliegenden kleinen Bäche. Wenn es in einem Feld Drainageleitungen hat, geschieht das sogar ziemlich direkt. Das Problem lässt sich also nur lösen, wenn weniger Pestizide eingesetzt werden. Es gibt für Bauern alternative Lösungen: Mehr jäten, mehr Nützlinge einsetzen, andere Pflanzensorten wählen. Aber das ist oft mit grösserem Aufwand verbunden.
Das Problem lässt sich also nur lösen, wenn weniger Pestizide eingesetzt werden.
Das Bundesamt für Umwelt erarbeitet einen Aktionsplan. Was bringt das?
Es kommt darauf an, wie viel Biss dieser Aktionsplan haben wird. Die Vernehmlassung ist jetzt vorbei. Die Verwaltung arbeitet an der konkreten Umsetzung. Und es geht wie immer im Umweltschutz um ein Abwägen der Interessen. Die Bauern wollen zum Beispiel nicht, dass man die Pestizide mit einer Lenkungsabgabe künstlich verteuert. Pro Natura sagt auf der anderen Seite, es gehe viel zu langsam voran, obwohl das Problem inzwischen allen bekannt sei. Das politische Ringen geht also weiter. Und weil nicht unsere Kinder, sondern Flohkrebse betroffen sind, wage ich die Prognose, dass uns dieses Pestizidproblem noch länger begleiten wird.
Das Gespräch führte Simon Leu.