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Fall Bundesanwalt Lauber «Lauber ist gehörigen Schritt Richtung Nichtwiederwahl gegangen»

Bundesanwalt Michael Lauber hat sich im Rahmen der Ermittlungen zum Korruptionsskandal beim Fussball-Weltverband Fifa Fehlverhaltens schuldig gemacht und muss sich von dem Fall zurückziehen, wie das Bundesstrafgericht (BSG) entschied. Der ehemalige Fifa-Anti-Korruptionsexperte und Rechtsprofessor Mark Pieth befürchtet, dass aufgrund der neuen Situation viele Delikte verjähren könnten und bezeichnet das als «desaströs».

Mark Pieth

Professor für Strafrecht

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Mark Pieth ist Strafrechtsprofessor an der Universität Basel. Er war Mitglied der Volcker-Kommission, die im Jahr 2004 Korruptionsvorwürfe gegenüber eines UN-Programms im Irak untersuchte. Im Jahr 2016 war er Mitglied eines Expertengremiums, das nach dem Panama-Papers-Skandal der Regierung Panamas Vorschläge für transparentere Finanz- und Rechtssysteme machte.

Von 2011 bis 2013 war er Vorsitzender der unabhängigen Kommission für Governance bei der Fifa. Pieth beschuldigte zahlreiche hochrangige Funktionäre, dass sie die Erneuerung der Fifa massiv behindern würden.

SRF News: Wie ungewöhnlich ist der Entscheid des Bundesstrafgerichts, dass Bundesanwalt Michael Lauber sowie zwei weitere Staatsanwälte im Fall Fifa in den Ausstand treten müssen?

Mark Pieth: Das ist absolut absonderlich. Das ist überhaupt nicht der Courant normal. Es rächt sich, dass dieser Bundesanwalt (BA) eine Praxis der informellen, unprotokollierten Treffen betreibt. Es besteht das Risiko, dass ein grosser Komplex nach dem anderen wegbricht. Ich verweise auf Usbekistan, wo bereits sein Verfahrensleiter in den Ausstand treten musste. Nun ist es beim Fifa-Fall geschehen und möglicherweise kommt das Gleiche im Magnitzky-Fall. Es stehen noch mehr Verfahren an, bei denen so etwas passieren könnte. Ich denke an das Sommermärchen.

Die erwähnten Fälle:

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  • Usbekistan-Fall: Es geht um ein Verfahren wegen Geldwäscherei gegen sechs usbekische Staatsangehörige, darunter die Tochter des 2016 verstorbenen Präsidenten von Usbekistan. Das Bundesstrafgericht hat bei diesem Fall ein Ausstandsbegehren gegen den Verfahrensleiter bei der Bundesanwaltschaft gutgeheissen. Mit einer Reise nach Usbekistan, die ausserhalb der Prozessordnung erfolgt sei, habe dieser den Anschein der Befangenheit erweckt, heisst es im Entscheid. Nun muss die Verfahrensleitung ausgewechselt werden.
  • Magnitzky-Fall: In diesem Fall steht der gewaltsame Tod des russischen Steuerberaters Sergej Magnitsky in einem Gefängnis in Moskau im Zentrum. 2013 verfasste der damalige Schweizer Nationalrat Andreas Gross einen Bericht darüber und kritisierte, dass die Verantwortlichen straffrei blieben. Der Schweizer Ermittler Viktor K. wollte mit russischer Hilfe den Bericht des Nationalrats widerlegen. Infos dazu erhielt er während einer Bärenjagd, zu den ihn russische Behörden eingeladen hatten. Er wurde der Vorteilsannahme schuldig gesprochen.

Was meinen Sie mit dem Sommermärchen?

In den beiden Fällen, die nun dazu geführt haben, dass dem BA Befangenheit vorgeworfen wird, geht es um das Verfahren gegen den ehemaligen Finanzchef und den ehemaligen Generalsekretär der Fifa. Daneben läuft ein grösseres Verfahren gegen Leute, die bestochen haben sollen, um die WM 2006 nach Deutschland zu holen. Man nennt es das Sommermärchenverfahren, weil damals 2006 alle froh darüber waren, wie es ablief. Es war das perfekte Märchen, es ist auch für Deutschland besonders gut aufgegangen. Die deutsche Mannschaft erreichte immerhin den dritten Platz. Aber die unschöne Seite ist möglicherweise eine Bestechungszahlung von zehn Millionen Franken.

Ich sehe, dass das Bundesstrafgericht grundsätzlich mit der Arbeitsweise der Bundesanwaltschaft unzufrieden ist.

Sehen Sie darin einen Fall, der noch weitergeht als das Fifa-Verfahren?

Ich sehe, dass das Bundesstrafgericht grundsätzlich mit der Arbeitsweise der Bundesanwaltschaft unzufrieden ist. Es verlangt Verfahren, die seriös durchgeführt werden. Es sieht einen Mangel an Professionalität. Das ist im Klartext die Aussage.

Michael Lauber muss ab dem ersten Treffen mit Fifa-Chef Gianni Infantino im März 2016 in Ausstand treten. Müssen nun alle Schritte in diesem Fall wiederholt werden?

Wenn es ein Befragungsbeamter wäre, dann müsste man einfach die Befragungen wiederholen. Das Problem ist aber, dass es hier nicht um den Verfahrensleiter, sondern um den Chef der Behörde geht. Wir müssen praktisch neu beginnen. Das birgt ein reales Risiko der Verjährung, zumindest für das Sommermärchen.

Wenn im Fall Sommermärchen gleich entschieden würde – und das liegt nahe –, dann muss das ganze Verfahren gegen den Kaiser und die Mitangeschuldigten ad Acta gelegt werden.

Heisst das, dass das Risiko steigt, dass viele der Delikte verjähren und deshalb nie vor Gericht beurteilt werden?

Ja, und es ist nicht der einzige Fall. Es kann sein, dass bei anderen Komplexen ganz ähnlich die Verjährung eintritt. Das wäre desaströs. Straftäter müssen rechtzeitig vor Gericht gebracht werden.

Wem nützt dieser Beschluss letztlich?

Ich weiss nicht, ob in diesen beiden Fällen, die wir vor uns haben, die Verjährung eintreten wird. Aber wenn im Fall Sommermärchen gleich entschieden würde – und das liegt nahe – dann muss das ganze Verfahren gegen den Kaiser und die Mitangeschuldigten ad acta gelegt werden. Für die Schweizer Justiz wäre das ein Armutszeugnis.

Was bedeutet das für die Institution der Bundesanwaltschaft und für BA Lauber?

Lauber ist einen gehörigen Schritt in Richtung Nichtwiederwahl gegangen.

Das Gespräch führte Priscilla Imboden.

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