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Falsche Polizistin verurteilt «Falsche Polizisten» schlagen immer häufiger zu

Falsche Polizisten haben in den letzten vier Jahren zehnmal mehr Geld ergaunert als zuvor. Ein Fall aus Bern zeigt, wie perfide die Täterschaft vorgeht.

Am Anfang steht ein einfacher Telefonanruf: «Ihr Geld ist in Gefahr», heisst es. Am Schluss verlieren die Opfer mehrere zehntausend Franken. Eigentlich sollte diese Betrugsmasche bekannt sein. Sie wurde jedoch in den vergangenen Jahren immer ausgeklügelter, weshalb die Zahl der Opfer stark gestiegen ist.

Zehnmal mehr Schaden

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2016 gab es noch 6 Betrugsfälle, bei denen sich die Täterschaft als falsche Polizisten ausgegeben haben und Leute zu Schaden kamen. 2020 wurde bereits in 120 Fällen Geld ergaunert. Die Deliktsumme hat sich fast verzehnfacht. Sie ist von 450'000 Franken im Jahr 2016 auf 4.3 Millionen Franken im Jahr 2020 gestiegen.

Eines der Opfer ist eine 82-jährige Frau. Eines Morgens klingelte ihr Telefon: «Eine Frau war dran, sehr freundlich. Sie habe bei einem Einbrecher ein Buch gefunden, in dem mein Name drin stand», erzählt die Seniorin. Sie sei erschrocken. Von falschen Polizisten habe sie nichts gewusst. Die Polizei sei für sie «dein Freund und Helfer».

ältere Frau am Telefon
Legende: Vor allem ältere Frauen werden von der Täterschaft als Opfer ausgesucht. Keystone (Symbolbild)

«Täter suchen hauptsächlich nach älteren, alleinstehenden Personen, vorwiegend Frauen», sagt Staatsanwalt Rolf Rüdisser. Bei ihm landen alle Fälle von falschen Polizisten aus dem Kanton Bern. Anhand der Vornamen im Telefonbuch würden die Täter die Opfer als ältere Personen identifizieren. «Es stehen clevere Betrügerbanden dahinter, die hauptsächlich von der Türkei aus agieren», so Rüdisser.

Ich bin mir wie hypnotisiert vorgekommen.
Autor: 82-jähriges Opfer

Im Fall der 82-jährigen Frau blieb es nämlich nicht bei diesem einen Telefonanruf. Immer wieder erhielt sie Anrufe, die Täter verlangten Mithilfe, fingen an zu drohen.

Hinter der Masche stecken mehrere Täter. Sie geben sich als Polizisten oder Staatsanwältinnen aus und machen massiven psychischen und zeitlichen Druck, schreibt die Kantonspolizei Bern. Die Opfer erhalten teilweise von vier verschiedenen Leuten Anrufe, die sie mit einer raffiniert aufeinander abgestimmte Lügengeschichte überzeugen, dass ihr Geld zuhause oder auf der Bank in Gefahr sei. Es gebe Hinweise, dass eingebrochen werde, oder dass Bankangestellte korrupt seien, sagen die Täter.

Frau mit Festnetztelefon in den Händen
Legende: Teilweise vier verschiedene Personen rufen an. Die Lügengeschichte ist aufeinander abgestimmt. Keystone (Symbolbild)

Die 82-jährige Frau gehorchte: «Ich bin mir wie hypnotisiert vorgekommen. Ich muss das machen, was man mir sagt. Auf eine Art wie in der Kindheit.»

Dass man der Täterschaft glaubt, sogar hörig wird, habe nichts mit Naivität zu tun, sagt Staatsanwalt Rolf Rüdisser. Die Leute würden überrumpelt: «Sie glauben einfach, was gesagt wird, hinterfragen nicht mehr.» Sie würden nur noch Anweisungen befolgen, denn die Täterinnen und Täter seien Profis. «Das sind absolute Gesprächsprofis. Die Methoden und Fragestellungen sind antrainiert, mehrfach erprobt», so Rüdisser. Er sei überzeugt, dass die Täterinnen und Täter geschult werden.

Das sind absolute Profis.
Autor: Rolf Rüdisser Staatsanwalt für Wirtschaftsdelikte

Sie überzeugen die Opfer, dass sie ihr Geld der angeblichen Polizei übergeben, um es sicher aufzubewahren. Die 82-jährige Frau musste das Geld – mehrere zehntausend Franken – nach Zürich bringen. «Als ich das Geld übergab, war ich glücklich, dass mir körperlich nichts passiert ist», erzählt sie.

Die Abholerin verurteilt

Abgeholt hat das Geld eine 39-jährige Frau aus Georgien. Sie überwies es den Drahtziehern aus dem Ausland. Und zwar nicht nur in diesem Fall. Zwischen November 2019 und März 2020 hatte sie sich zusammen mit weiteren Personen als falsche Polizisten ausgegeben und insgesamt 17 Personen betrogen und es in vier weiteren Fällen versucht. Über 300'000 Franken hat die Frau in den Kantonen Bern, Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt, St. Gallen und Zürich abgeholt und weitergeleitet.

Zeichnung von Frau im Gericht
Legende: Die Frau musste sich vor dem Berner Wirtschaftsgericht verantworten. SRF

Das Berner Wirtschaftsgericht hat die Frau am Freitag verurteilt. Sie muss ins Gefängnis und wird danach ausser Landes gewiesen. Laut Staatsanwalt ist dies der grösste solche Fall, der im Kanton Bern vor Gericht verhandelt wurde.

Gefängnis und Landesverweis

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Die 39-jährige Mittäterin wurde am Freitag vom Wirtschaftsgericht wegen gewerbsmässigem Betrug und gewerbsmässiger Geldwäscherei zu 18 Monaten unbedingter Freiheitsstrafe und 18 Monaten auf Bewährung verurteilt. Hinzu kommt eine bedingte Geldstrafe und einen Landesverweis von sieben Jahren. Sie sei Mittäterin gewesen, ein Teil der gut organisierten Täterschaft im Ausland.

Sie selbst sieht sich nicht als Täterin, sondern Opfern von Hintermännern. Von diesen Unbekannten sei ihr angeboten worden, Geld abzuholen. Dass dies von abgezockten Senioren stammte, habe sie nicht gewusst. Ihr habe ein Gewinn von bis zu zweieinahlb Prozent gewunken.

Das nahm ihr das Gericht nicht ab. Die Frau habe durchaus gewusst, worauf sie sich eingelassen habe oder habe einen kriminellen Hintergrund des Geschäfts zumindest in Kauf genommen.

Schweiz Aktuell, 12.2.21, 19:00 Uhr ; 

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