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Fluglotsen-Prozess Traumjob, bei dem Fehler töten können

Der Druck ist gross, die Verantwortung noch viel mehr. Ein Fluglotse erzählt, warum er dennoch den besten Job der Welt hat.

«November 588 Tango November Zurich Tower you are number two continue approach.» So tönt es, wenn Sebastian Altorfer arbeitet. Altorfer ist seit 10 Jahren Fluglotse am Flughafen Zürich. Er kommuniziert in einer Sprache, die Lotsen und Piloten weltweit sprechen.

«Mich fasziniert es seit jeher, wie man mit der englischen Sprache kurz und prägnant einen ganzen Flugplatz steuern und sichern kann», sagt er und wendet sich der Arbeit zu: «Edelweiss Tower one. Grüezi!»

Verantwortung und Zufriedenheit

Der 35-Jährige sitzt mit jeweils drei bis vier anderen Kollegen im Tower. Sie sind für alle Starts und Landungen in Zürich Kloten verantwortlich, mehr als 700 täglich. Auch in der Nacht ist der Tower besetzt.

Zu gewissen Zeiten ist Altorfer pausenlos am Funk, dazwischen ist der Flugverkehr schwächer. «Es ist eine grosse Verantwortung, die wir hier am Flughafen Zürich haben.» Und damit ein gewisser Druck. «Aber es löst auch Zufriedenheit aus, wenn man damit umgehen kann und hier arbeiten darf.»

Fehler von Lotsen können viele Menschen gefährden. Im schlimmsten Fall gibt es Tote, so wie vor 16 Jahren, als zwei Flugzeuge über dem deutschen Überlingen zusammenstiessen. Mitverantwortlich waren Mängel in der Flugsicherung von Skyguide.

Routine als Strategie

Dieser grossen Verantwortung ist sich Altorfer bewusst. Bei der Arbeit kämen Fluglotsen in einen Flow, in eine Routine, die helfe, bereit zu sein, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert. Zum Beispiel technische Probleme eines Flugzeugs, die eine prioritäre Landung erfordern.

«Da kann es sein, dass der Pilot auf einer anderen Piste als geplant landen möchte, und dann organisieren wir das und ermöglichen eine reibungslose Landung.» Daneben gibt es medizinische Notfälle. «Dann schauen wir, dass die Maschine möglichst schnell ans Gate kommt. Und wir alarmieren eine Ambulanz.»

Unterstützung durch Technik und Feldstecher

Der Computer zeigt Flugzeuge an, die starten und landen möchten. Moderne Technik ist wichtig, sie warnt vor Fehlern. Aber Lotsen greifen auch immer noch zum Feldstecher.

«Den brauchen wir, wenn wir etwas genauer sehen wollen: Ist die Brücke noch dran? Ist ein Cargo-Door noch offen? Und manchmal sind hier Tiere unterwegs. Füchse oder Vogelschwärme.»

Hoher Lohn aber auch hohe Anforderungen

Damit sich Lotsen konzentrieren können, dauert eine Schicht höchstens zwei Stunden. Davon gibt es drei am Tag. Dann gibt es 20 Minuten bis eine Stunde Pause. Der Druck ist gross. Wenige halten ihm stand. Nur fünf Prozent der Bewerber schaffen die Aufnahmeprüfung und davon besteht nur die Hälfte die zweieinhalbjährige Ausbildung.

Der Lohn eines Lotsen ist gut, durchschnittlich 190’000 Franken im Jahr. Pensioniert wird man mit 56. Mit dem wachsenden Flugverkehr wird der Job aber immer anspruchsvoller. Und gelegentlich werden Lotsen gar von einem Piloten beschimpft. So ein Fall komme selten vor, sagt Altorfer. Eher belasten würde ihn, dass zurzeit zwei seiner Kollegen für Fast-Unfälle vor Gericht stehen, für Fehler, bei denen niemand zu Schaden kam.

Trotz allem: Altorfer hat seinen Traumjob gefunden. Schon als Kind habe er gerne Flugzeugen nachgesehen. Heute vom Tower aus, nahe an den Fliegern, die er zu beobachten hat – und mit einer einzigartigen Aussicht: «Im Moment ist es natürlich neblig, aber auch das ist attraktiv. An einem Sommertag ist es wahrscheinlich der schönste Arbeitsplatz der Schweiz.»

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