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«Flugscham» in der Schweiz? Langsames Umdenken bei Vielfliegerei

Die Klimadebatte zeigt erste Wirkung beim Reiseverhalten. Allerdings erst sehr bescheiden.

Flugscham? Auf die Reise per Flugzeug verzichten wegen des Klimawandels? Bisher gab es das in der Schweiz kaum. Doch jetzt gibt es Anzeichen, dass die Debatte rund um den Klimawandel in der Schweiz leichte Wirkung zeigt.

Zum Beispiel zeigt eine neue, repräsentative Umfrage der Umweltorganisation WWF Schweiz, dass knapp vierzig Prozent der Teilnehmer künftig weniger fliegen oder sogar ganz auf Flugreisen verzichten wollen. Befragt wurden 1000 Personen aus der Schweiz. 27 Prozent gaben an, in den vergangenen zwei Jahren aus ökologischen Gründen bereits auf Flugreisen verzichtet zu haben. «Die Befragung deutet auf eine mögliche Trendwende hin», sagt Patrick Hofstetter, Klimaexperte beim WWF Schweiz.

Leicht weniger Flugpassagiere

Auch am Flughafen Zürich gibt es erste Anzeichen für einen leichten Umschwung. In den letzten Jahren sind die Passagierzahlen ständig gestiegen. In den letzten beiden Monaten waren die Zahlen nun rückläufig: Im April gab es ein Minus von 0.6 Prozent, im Mai war es gar ein Minus 1.5 Prozent. Laut Flughafen Zürich sei es aber noch zu früh um zu sagen, ob ein Zusammenhang mit der Klimadiskussion bestehen.

Teurer Verzicht auf das Flugzeug

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Zug statt Flieger – das ist gut für das Klima, aber mitunter schlecht für den Geldbeutel. Zudem braucht Geduld, wer am Boden bleibt, wie ein kleiner Vergleich zeigt:

Zürich - London im September:

  • Mit Flugzeug bei Hotelplan 139 Franken, Dauer mit Ein- und Auschecken 4 Stunden.
  • Mit Zug: Ab 188 Franken (Hotelplan) bis 200 Franken (SBB), Dauer rund neun Stunden.

Zürich Mallorca im August:

  • Mit Flugzeug 370 Franken, Dauer mit Ein- und Auschecken: vier Stunden.
  • Mit Zug und Fähre: 790 Franken, Dauer 24 Stunden.

Was merkt man davon in den Reisebüros? Bei der SBB heisst es, die Nachfrage nach Zugreisen sei gestiegen, trotz höheren Preisen gegenüber dem Flugzeug. Mediensprecher Reto Schärli bestätigt: «Im ersten Halbjahr 2019 lief das internationale Geschäft gut. Wir verkaufen spürbar mehr Tickets im Fernverkehr.»

Auch Serge Brunner, Geschäftsführer bei Baumeler Reisen in Luzern, sagt: «In den letzten Wochen hatten wir vermehrt Anfragen von Kunden, ob man in Europa nicht mit dem Zug reisen könnte. Ist der Zeitverlust nicht allzu gross, steigen die Leute auch tatsächlich um.» Sogar längere Reisen bis Mallorca seien gefragter als früher.

Ein etwas anderes Bild zeigt sich bei Hotelplan: Das Unternehmen spüre noch nichts von einem veränderten Buchungsverhalten, sagt Markus Fässler, Verantwortlicher für Nachhaltigkeit beim Unternehmen. Allerdings würden sich die Leute heute besser informieren über CO2-Kompensationen bei Flugreisen.

Egal ob eine Reise nach Mallorca oder nach London. Wer weniger CO2 verursachen will, muss mehr Zeit einrechnen. Bei vielen Kunden liegt die kritische Grenze laut Reisebranche bei drei bis vier Stunden zusätzlicher Reisezeit – bis jetzt zumindest.

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