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Forderndes Parlament Breitseite gegen den Bundesrat

Möglichst viele Betriebe, auch Restaurants, sollen am 11. Mai wieder öffnen dürfen, verlangt die WAK des Nationalrats.

«Ich freue mich riesig», sagt Jacqueline Badran (SP/ZH), die in der Wirtschaftskomission (WAK) des Nationalrates sitzt. Wochenlang machte sie sich stark für jene kleinen Gewerbebetriebe wie Restaurants, die ihren Betrieb nicht öffnen können, aber Miete bezahlen müssen. Je nach Betrieb über zehntausend Franken pro Monat.

Jetzt verlangt die WAK, dass diese Betriebe nur 30 Prozent davon bezahlen müssen. «Für sie ist der substanzielle Teilerlass der Miete überlebenswichtig», weiss Badran aus Mails, die sie von Gastronomen erhalten hat.

Empörung...

Umgekehrt heisst das, dass sich die Vermieter solcher Gewerberäume 70 Prozent der Miete ans Bein streichen müssten; wogegen sich die Verbände der Vermieter gewehrt hatten. Die Motion verlangt vom Bundesrat 20 Mio. für Härtefälle auf Vermieterseite.

Dennoch ist der Hauseigentümerverband (HEV) empört. «Krass einseitig und willkürlich», sei der Vorschlag der WAK, schreibt er. Man solle weiter auf Einzellösungen setzen. Das war auch der Plan des Bundesrates, der den Streit bisher den Verbänden überliess. Die Folge: Die meisten Gastrobetriebe und andere bleiben die volle Miete schuldig.

.. und vorsichtige Freude

Tatsächlich kamen viele Vermieter – Gastrosuisse spricht von 90 Prozent – den Betrieben nicht entgegen oder waren nur bereit, die Miete als Schuld einige Monate stehenzulassen. Das ist die Erfahrung von Casimir Platzer, Präsident von Gastrosuisse. «Wir haben vom Bundesrat schon lange verlangt, er müsse hier für eine Lösung sorgen.» Das Problem Mietern und Vermietern zu überlassen, habe trotz mehreren Treffen auf höchster Ebene keine Lösung gebracht.

«Eigentlich fordern wir, dass unseren Mitgliedern die Mieten während den coronabedingten Schliessungen ganz erlassen werden», sagt Platzer, schliesslich könnten die Räume nicht zweckbestimmt verwendet werden. «Aber den Vorschlag, dass wir 30 Prozent bezahlen müssen, werden wir sicher intern prüfen.»

Der Mieterlass für Gewerbetreibende ist ein Erfolg der WAK-Linken und mit 13 zu 10 Stimmen (zwei Enthaltungen) knapp angenommen worden. Jetzt geht die Motion an die WAK des Ständerates.

Flexibilität gefordert

Aber auch die Bürgerlichen haben eine markante Korrektur der Corona-Politik des Bundesrates verfolgt. «Der Bundesrat muss einfach flexibler werden bei der Öffnung», fasst SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi zusammen. Mit drei Motionen wollen sie dem Bundesrat Beine machen um «so schnell als möglich, aber unter der Einhaltung der Hygienevorschriften, zum Normalzustand kommen.»

So sollen ab dem 11. Mai «alle öffentlich zugänglichen Einrichtungen» wieder öffnen dürfen, unter Einhaltung der Distanz- und Hygienemassnahmen. Das umfasst auch Restaurants und andere Gastroeinrichtungen, hier soll die Öffnung ab 11. Mai aber gestaffelt werden. Und Gewerbebetrieben, die aus gesundheitspolitischen Überlegungen auch danach nicht vollständig öffnen könnten, soll der Bundesrat «Tätigkeiten bezeichnen», die diese anbieten dürften.

Entscheid am Dienstag

«Wir wollen erreichen, dass möglichst viele wieder arbeiten und verdienen können», sagt Aeschi. Denn: «Wir haben jetzt 1.7 Millionen Schweizer in Kurzarbeit, zehntausende sind in ihrer Existenz bedroht, es gab Entlassungen. Das kostet 7 Milliarden alleine in der Arbeitsversicherung – pro Monat!».

Am Dienstag kommt die WAK des Ständerates zusammen. Sie muss die Motionen der WAk-NR unterstützen, damit sie Wirkung erreichen. «Aber», so Aeschi, «wenn die Motionen da unterstützt würden, muss der Bundesrat handeln. Er muss den ausdrücklichen Willen des Parlaments berücksichtigen».

Tagesschau, 22.4.20, 19:30 Uhr

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