Das Wichtigste in Kürze
- Betroffene berichten von Sprachkursen, die nicht stattfinden, falschen Rechnungen und fehlerhafter Organisation.
- Laut einem Insider lockt EF mit Wettbewerben in Gratiszeitungen und sozialen Medien junge Menschen an, sammelt deren Kundendaten und verwickelt sie in Verkaufsgespräche.
- Rabatte sind Teil der EF-Verkaufsstrategie: Zögernde Kunden werden mit Sonderangeboten und fiktiven Deadlines unter Druck gesetzt.
- Laut Insider haben EF-Verkäufer Wochenziele: Würden diese erreicht oder gar übertroffen, winke die Provision.
- EF rechtfertigt sich, man könne nicht ausschliessen, dass es in Einzelfällen zu Unregelmässigkeiten kommt. Die Vorwürfe des Insiders weist das Sprachunternehmen zurück.
Um sich bestmöglich auf seine neue Ausbildung als Informatiker vorzubereiten, wollte der 22-jährige Stromer Robin sein Englisch aufbessern. Zufällig stiess er in der Gratiszeitung «20 Minuten» auf einen Wettbewerb der Sprachschule Education First (EF). Er machte mit, in der Hoffnung, einen Sprachaufenthalt zu gewinnen.
Gewonnen hat er nichts, doch schon kurz nach dem Ausfüllen des Formulars erhielt er einen Anruf von EF: Eine äusserst freundliche Verkäuferin habe ihm versprochen, Broschüren zu schicken und Angebote zu machen. Schnell sei man per Du gewesen. Die Broschüren erhielt er prompt und auch EF meldete sich umgehend wieder: «Hast du dich nun schon entschieden?» Auf sein Zögern hin habe ihm die EF-Verkäuferin ein Spezialangebot gemacht. «Wenn du bis in zwei Tagen buchst, kann ich dir 1000 Franken Rabatt geben.»
EF setzt Kunden unter Druck
Was Robin nicht wusste: Offensiver Kundenkontakt und Rabatte sind Teil des EF-Verkaufssystems. Nachdem der «Kassensturz» vor ein paar Wochen über negative Kundenerfahrungen mit EF berichtet hatte, meldeten sich zahlreiche weitere Betroffene.
Darunter auch ein Insider. Er war bei EF im Verkauf tätig und erzählt gegenüber «Kassensturz» von den Verkaufsmethoden dieser Firma. «Es ging darum, Kunden möglichst rasch zu erreichen, mit ihnen in Kontakt zu treten und so schnell wie möglich abzuschliessen,» sagt der ehemalige EF-Mitarbeiter, der anonym bleiben will. «Mit Rabatten und fiktiven Deadlines setzte man die Leute unter Druck, damit sie endlich unterschreiben.» Mittels Boni würden EF-Verkäufer angetrieben, ihre wöchentlichen Verkaufsziele zu übertreffen. «Darunter leidet die Kundenbetreuung. Ich hatte kaum Zeit, den Leuten mit Problemen vor Ort zu helfen und habe sie mit netten Worten vertrösten müssen.»
Gebuchte Sprachkurse, die nicht stattfinden
Beim 22-jährigen Robin hat der Rabattköder funktioniert: Er buchte schlussendlich einen zehnwöchigen Sprachaufenthalt für knapp 7000 Franken in Australien. Kaum angekommen, begannen für ihn die Schwierigkeiten: Sein Examenskurs beginne erst in einer Woche, hiess es. Robin wird in eine andere Klasse eingeteilt.
Als er den Vorfall EF Schweiz meldet, kriegt er per Whatsapp als Antwort: «(...) I han ghört, dass es nöd so cho isch, wie erwartet (…).» In der Folge wechselt Robin mehrfach den Kurs. Eine Prüfung vor Ort ergibt, er passe leistungsmässig nicht in den Examenskurs. Wegen all dieser Ungereimtheiten verlangt Robin von EF Geld zurück. Erst nach langem Hin und Her kriegt Robin als Entschädigung 1300 Franken zurück.
Entschädigung mühsam erstreiten
Auch bei Sandrina begann der Examenskurs im englischen Brighton zwei Wochen zu spät und zwei zusätzliche Wochen fielen wegen Schulferien vor Ort ins Wasser. EF bietet ihr an, die Stunden vor Ort nachzuholen. Sandrina lehnt ab. Dafür fehle während des Kurses die Zeit. Sie will einen Teil ihres Geldes zurück. Doch EF will ihr vorläufig nur zwei Wochen zurückerstatten. Reto Ineichen, Dozent für Reiserecht an der Hochschule Luzern, meint dazu: «Laut Pauschalreisegesetz stellen spätere Änderungen des Vertrages grundsätzliche Mängel dar. Kunden haben in diesen Fällen Anrecht auf Schadenersatz.»
Gesetzeswidrige Zuschläge
Sandrina hatte schon vor der Abreise Probleme mit EF. Zwar bekam auch sie einen «limitierten Spezialrabatt» von 1000 Franken. Doch auf der Rechnung wurde dieser von einem happigen Währungs- und Hochsaisonzuschlag weggefressen.
Der Reiserechtsexperte Reto Ineichen staunt: «Ein Hochsaisonzuschlag, der nicht bei Vertragsabschluss vereinbart wurde, ist als Preiserhöhung nicht zulässig.» Währungszuschläge seien laut Gesetz in einem sehr engen Rahmen möglich. Doch auch hier bemängelt er: «EF schreibt im Vertrag nicht detailliert, wie ein allfälliger Währungszuschlag dereinst berechnet wird. Das geht nicht.» EF kommt Sandrina schliesslich entgegen: Der Währungszuschlag wird ihr «aus Kulanz» erlassen und zum Hochsaisonzuschlag schreibt ihr EF, das sei «ein Fehler» gewesen.
Bodybuilder statt Gastmutter
Solche Situationen überraschen den ehemaligen EF-Mitarbeiter nicht. «Wir hörten oft von Leuten, die nicht im richtigen Kurs waren oder von Kursen, die gar nicht angeboten wurden. Auch Probleme mit Gastfamilien kamen häufig vor.»
Nicht schlecht gestaunt hat die 16-jährige Jana über die Gastfamilie, die ihr von EF vermittelt wurde. Anstelle einer umsorgenden Gastmutter, deren Kontakt ihr EF im Vorfeld geschickt hatte, wurde sie im englischen Eastbourne von einem Bodybuilder in Empfang genommen. Sie kapierte erst, dass dies wohl ihr Gastvater sein musste, als sie den Mann auf zahlreichen Fotos im Haus – knapp bekleidete in Unterhose – wiedererkannte.
Eine Gastmutter bekam sie während ihres dreiwöchigen Aufenthaltes nie zu Gesicht. Und obwohl gebucht und bezahlt, gab es im englischen Haushalt auch kein herkömmliches Essen. Nur Proteinshakes, Eier und Süssigkeiten. Auf die Klage von Janas Mutter reagiert EF flapsig: Die Gastmutter habe Nachtschicht gearbeitet, deshalb sei Jana ihr nie begegnet. Trotzdem bot EF an, die Gastfamilie zu wechseln. Fürs fehlende Essen gab’s von EF schliesslich etwas über 500 Franken zurück. Die Mutter von Jana ist empört: «EF hat sich nie entschuldigt, dass Jana in einer Unterkunft war, die für Minderjährige überhaupt nicht geeignet ist. Letztendlich hatten wir Glück, ist nichts passiert.»