Ein Marokkaner, ein Syrer, zwei Belgierinnen: Mehrere Personen, die scheinbar keinen Bezug zur Schweiz haben, beschäftigen derzeit das Bundesamt für Polizei (Fedpol). Eines haben die Fälle gemeinsam: Bei den Personen handelt es sich um IS-Verdächtige, die in Syrien oder Irak vermutet werden – einige sind inhaftiert, andere wohl auf der Flucht.
Das Fedpol scheint auf Nummer sicher gehen zu wollen und hat seit anfangs Jahr mehrere Personen mit einem Einreiseverbot für die Schweiz belegt oder das entsprechende Verfahren gestartet.
«Schweiz soll nicht Rückzugsort für Dschihadisten werden»
Florian Näf, Mediensprecher des Fedpol, bestätigt die neue Praxis seit Ende Februar. Bei den betroffenen Personen gebe es Anhaltspunkte, dass sie die Schweiz gefährden könnten. «Die Schweiz soll nicht zum Rückzugsort für Dschihadisten werden», erklärt Näf.
Hintergrund ist die Sicherheitslage im Norden Syriens, die sich seit mehreren Monaten stetig verschlechtert. Das beunruhigt die europäischen Sicherheitskräfte, denn in jener Region sind Hunderte Männer, Frauen und Kinder aus dem ehemaligen Territorium des IS inhaftiert, viele aus Europa, auch aus der Schweiz.
Die Einreiseverbote sind offenbar eine Vorsichtsmassnahme für den Fall, dass Frauen oder Männer aus dem IS mit europäischen Staatsbürgerschaften in Syrien freikommen und unkontrolliert zurückkehren könnten. Eine Rückkehr in ihr Heimatland kann ihnen nicht verwehrt werden, aber Nicht-schweizerischen Europäern soll zumindest die Weiterreise in die Schweiz verunmöglicht werden.
Kurden bitten Europa um Unterstützung
Abdelkarim Omar ist Aussenbeauftragter der selbsterklärten Verwaltung im Nordosten Syriens, die die Gefängnisse und Camps unterhalten. Im Interview mit einem lokalen Mitarbeiter von SRF ruft er die europäischen Länder auf, seine Verwaltung stärker zu unterstützen, um die Sicherheit der Gefängnisse und Camps zu verbessern.
Erst am vergangenen Wochenende hat sich erneut gezeigt, wie labil die Situation der Gefangenenanstalten ist: Am Samstag kreisten über der Stadt Al Hassakeh Kampfhubschrauber, Sirenen heulten, gepanzerte Fahrzeuge rückten ins Industrieviertel vor.
Dort liegt das Gefängnis, in dem Hunderte IS-verdächtige Männer aus Dutzenden Herkunftsländern untergebracht sind. Sie zettelten offenbar eine Revolte an, es kam zu stundenlangen Gefechten, wie lokale Medien berichteten. Ein Sprecher der Syrischen Demokratischen Streitkräfte (SDF) sagte gegenüber SRF, inzwischen sei das Gefängnis wieder unter Kontrolle.
Schweizer offenbar an Aufstand beteiligt
Es ist bereits der zweite Aufstand in diesem Gefängnis seit Anfang des Jahres. Ende März überwältigten einige Inhaftierte die Wachen, behändigten ihre Waffen, Gefechte folgten. Damals soll es Tote gegeben sagen.
Bei der Revolte Ende März soll auch einer der inhaftierten Schweizer IS-Verdächtigen aktiv beteiligt gewesen sein, heisst es in kurdischen Sicherheitskreisen. Der Schweizer, dessen Identität SRF kennt, soll dabei die Rädelsführer der Revolte unterstützt haben.
Auch in den Internierungs-Camps, wo Zehntausende Frauen und Kinder leben, scheint sich die Sicherheitslage zu verschlechtern, das berichtet eine Insassin eines der Camps. So sei mehreren Europäerinnen die Flucht gelungen. Zudem sei der wegen miserabler Lebensbedingungen ohnehin bestehende Unmut noch gestiegen, da sich die Insassinnen dem Coronavirus schutzlos ausgeliefert fühlten. Erkrankungen sind bisher keine bestätigt.