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Gedämpfte Erwartungen Swissmedic pocht beim Impfstoff auf belastbare Daten

Der Druck auf Politik und Behörden, Impfstoffe rasch zuzulassen, ist gross. Das spürt auch die Zulassungsbehörde.

Einer der Menschen, die zurzeit besonders viele unangenehme Fragen gestellt bekommen, ist Claus Bolte von der Schweizer Zulassungsbehörde Swissmedic: Warum macht ihr nicht voran? Wann kriegen wir einen Impfstoff? Er sagt: «Nur wenn wir die notwendigen Daten zur Qualität der Herstellung, zur Sicherheit und zur Wirksamkeit haben, können wir eine Zulassung aussprechen.»

Der neidische Blick derer, denen es zu langsam geht, geht vor allem in die USA. Von dort heisst es, die FDA, die dort Arzneimittel zulässt, werde vielleicht schon am 10. Dezember entscheiden – dann könne der Impfstoff von Pfizer/Biontech unter die Leute gebracht werden.

Eine Notfallfreigabe haben wir nicht – Gott sei Dank.
Autor: Claus Bolte Swissmedic

Es wäre eine «Emergency Use Authorization», eine Notfallfreigabe bei laufendem Zulassungsverfahren: «Das haben wir nicht – Gott sei Dank!», sagt Bolte. Gott sei dank gebe das Schweizer Gesetz keine solche Möglichkeit her. Diese Aussage passt zum Ruf der Swissmedic.

Sie gilt international als strenge Zulassungsinstanz, die auf eine solide, breite Datengrundlage achtet. Ob es trotzdem noch im Dezember für eine Zulassung und erste Impfungen reicht, wie es auch manche europäische Länder ihren Bürgerinnen und Bürgern in Aussicht stellen, hänge von den Daten ab. Punkt. Ein klarer Dämpfer für allzu grosse Erwartungen ans Tempo.

Einen weiteren Dämpfer erteilt der Vorsitzende der Eidgenössischen Impfkommission, Infektiologe Christoph Berger. Man müsse davon ausgehen, dass die drei Impfstoffe, die zurzeit im Gespräch seien, die Ausbreitung des Coronavirus zwar bremsen, aber nicht komplett stoppen können: «Es ist eine schlechte Nachricht. Sie klärt aber die Situation.»

Stand jetzt können die getesteten Impfstoffe die Zahl der Fälle senken, bei denen sich Symptome zeigen. Aber ob sich das Virus auch unter Geimpften weiter unbemerkt verbreitet und asymptomatische Fälle auslöst, ist nicht klar. Das Coronavirus auf die Schnelle per Impfstoff auszurotten, sei also derzeit kein Ziel, sagt Berger: «Anders als bei Röteln, Masern oder Kinderlähmung.»

Wir werden vielleicht erst in ein paar Monaten oder gar erst in zehn Jahren sehen, wer richtig lag.
Autor: Christian Burri Infektiologe

Wenn man dennoch möglichst schnell die Zahl schwerer Fälle senken will, wäre es gut, als erstes einen Impfstoff zu haben, der für ältere Menschen geeignet ist. Doch auch da gedämpfte Erwartungen. Denn es ist noch nicht klar, ob die ersten Studiendaten reichen werden, um zu sagen, wie Ältere auf die Impfstoffe reagieren.

Deshalb kann es gut sein, dass es in der Schweiz zuerst eine Impfstoffzulassung für Jüngere geben wird und erst später für Ältere. Schlicht weil die Datengrundlage solider ist. Sollten die USA vorwärts machen, vielleicht dicht gefolgt von Grossbritannien und EU-Staaten, nutze das auch der Schweiz, sagt Bolte: «Dann werden wir diese Erfahrungen berücksichtigen können. Der Erkenntnisgewinn zur Sicherheit und Wirksamkeit wird auch uns dienen.»

Claus Bolte, Leiter Bereich Zulassung Swissmedic,
Legende: Sollten andere Länder vorpreschen, könnte die Schweiz von den Erkenntnissen profitieren, sagt Claus Bolte, Leiter Bereich Zulassung Swissmedic, Keystone

Wer macht es richtig, die mit mehr Tempo, oder die, die die Sorgfalt betonen?

Die Antwort werde keiner so schnell kennen sagt einer, der schon lange in der Impfstoffforschung arbeitet: der Infektiologie Christian Burri vom Swiss Tropical Public Health Institut in Basel. «Wir werden vielleicht erst in ein paar Monaten oder gar erst in zehn Jahren sehen, wer richtig lag.»

Der Zeitplan, den Bundesrat Alain Berset skizziert hat – erste Impfungen früh im nächsten Jahr – ist eine Rechnung, die nur aufgeht, wenn alles perfekt läuft. Und die Daten, die die Firmen bei der Swissmedic einreichen, solide genug sind und klare Aussagen zulassen.

Echo der Zeit vom 27.11.2020, 18 Uhr

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