Daniel Müller übt sich momentan intensiv in Verhandlungstaktik. Der Vorsitzende der Geschäftsleitung Gastronomie bei der Firma Bindella versucht, die Vermieter dazu zu bringen, die Mieten zu senken. Im Vergleich zu 2020 laufe es harzig: «Gar keine Kulanz zeigen die Grossfirmen. Sie warten, bis die Härtefallgelder bezahlt sind.»
Zehn Milliarden Franken an Härtefallgeldern hat der Bund gesprochen – das sind Subventionen, um die pandemiebedingt geschlossenen Betriebe am Leben zu erhalten. Mietzinse sind der überaus grösste Posten an Fixkosten, der noch ungedeckt ist.
Gar keine Kulanz zeigen die Grossfirmen. Sie warten, bis die Härtefallgelder bezahlt sind.
Bei Bindella machen sie 70 Prozent aus. Ein Grossteil der zehn Milliarden an Steuergeld fliesst somit indirekt an Immobilienbesitzerinnen, und zwar am meisten an jene, die stur bleiben. Angesichts der Traumrenditen der Immobilienfirmen in den letzten zehn Jahren sei dies unverständlich. Zudem mache die Gastronomie in deren Portfolios im Vergleich zu Wohn- und Büroliegenschaften nur wenige Prozent aus.
Alles für die Aktionäre
Auch Roger Bühler, Geschäftsführer der Spielzeugkette Franz Carl Weber, stellt fest, dass vor allem grosse Immobilienfirmen bei den Mieten keinen Cent nachgeben. Anstatt dem Detailhandel unter die Arme zu greifen, bediene man sich lieber für die Aktionäre. «Dass man da keinen Riegel schieben kann, verstehe ich nicht. Das ist Egoismus pur auf Kosten von Steuerzahlerinnen und -zahlern.»
Das ist Egoismus pur auf Kosten von Steuerzahlerinnen und -zahlern.
Zwei Grosse im Visier
Weitere Gewerbler bestätigen diese Beobachtung, ebenso der Geschäftsmieterverband, wie Vizepräsident Armin Zucker erklärt. Und er nennt Namen: «Besonders negative Erfahrungen machen unsere Mitglieder mit der Swiss Life und der PSP.»
Swiss Life und PSP führen beide grosse Immobilienportfolios, die im letzten Jahr äusserst rentabel waren und schütten deshalb nun höhere Dividenden an ihre Aktionäre aus. Die Vorwürfe des Geschäftsmieterverbandes seien nicht nachvollziehbar, schreibt Swiss Life auf Anfrage. Die Firma habe sich mit 590 betroffenen Geschäftskunden geeinigt und Mietzinserlasse für ein bis anderthalb Monate gewährt, im Umfang von 10 Millionen Franken. Dieses Jahr plane es Einigungen im gleichen Umfang. PSP weist daraufhin, man suche Lösungen mit der Absicht, die Kunden zu behalten.
Der Verband Immobilien Schweiz teilt schriftlich mit, Vermieter profitierten nicht von der Krise, da die Härtefallgelder Mietausfälle nur zum Teil auffangen würden: Die vom Parlament bewilligten Kredite für Härtefallmassnahmen kommen den von den Covid-Massnahmen betroffenen Unternehmen zugute. Damit sollen sie Fixkosten decken können, zu denen auch allfällige Mietkosten gehören.
Besonders negative Erfahrungen machen unsere Mitglieder mit der Swiss Life und der PSP.
Wie sich zeigt, machen aber die Mietkosten den Löwenanteil der ungedeckten Fixkosten aus. Löhne sind mit Kurzarbeitsentschädigungen gedeckt. Es bleiben Versicherungen und allfällige Materialkosten, die klein sind, wenn ein Restaurant zu ist.
Warten auf das Bundesgericht
Der Geschäftsmieterverband und Gastrosuisse führen zurzeit erstinstanzlich Musterprozesse, um einen Richtentscheid des Bundesgerichts herbeizuführen.
Sie argumentieren, dass Mietverträge meist eine Klausel enthielten, wonach ein Mietobjekt zu einem bestimmten Zweck vermietet wird – etwa zum Betreiben eines Geschäfts. Für Restaurants, Bars und Clubs sei dieser Zweck in der Zeit der behördlichen Schliessung nicht erfüllt, was eine markante Mietzinsreduktion rechtfertige.
Die Mühlen der Justiz mahlten leider sehr langsam, sagt Zucker. Er rechnet mit einem Entscheid frühestens in zwei bis drei Jahren. Bis dahin bleibe den Ladenbesitzern nichts anderes, als die Mieten nicht zu bezahlen und zu hoffen, nicht betrieben zu werden. Einen landesweiten Mietzinserlass für betroffene Firmen hatte das Parlament 2020 abgelehnt.
Verpasste Chance?
Treibende Kraft hinter den generellen Mietzinserlassen war SP-Nationalrätin Jacqueline Badran. Sie sagt «Das war von vornherein klar: wenn man das Geschäftsmietengesetz ablehnt, dann wird man mit Steuergeld irgendwann Mal die Immobilieneigentümer finanzieren.» Der harte Widerstand im Parlament sei absurd gewesen, denn das Gesetz hätte den Immobilienbesitzerinnen nur wenig gekostet. Nun werde es für die SteuerzahlerInnen richtig teuer.
Die Mittepartei stimmte gegen die generelle Mietzinssenkung. Daniel Fässler, Ständerat der Mittepartei und Präsident des Verbandes Immobilien Schweiz sagt zu aktuellen Situation, für ihn ändere die Härtefalllösung nichts für die Immobilienfirmen: «Die Vermieterinnen und Vermieter sind weiterhin gut beraten, gute Lösungen zu suchen mit ihren Mieterinnen und Mietern, grosszügig zu sein, weil sie ja das Mietverhältnis forsetzen wollen.»
Enttäuschte Gewerbler
Auch die SVP und die FDP kämpften gegen generelle Mietzinserlasse für geschlossene Betrieben, mit den Argumenten das sei ein Eingriff in private Verträge und individuelle Lösungen seien vorzuziehen. Zur Feststellung, dass nun Härtefallgelder an Vermieter fliessen, die sich nicht kulant zeigen sagt FDP-Fraktionschef Beat Walti, das seien indirekte Effekte, die es überall gebe: «Gut aufgestellte Immobilienfirmen zahlen ihrerseits wieder Steuern, was gerade in Krisenzeiten sehr wichtig ist. Es sind auch Anlagen von Vorsorgeeinrichtungen, insofern werden sich diese positiven Effekte sehr breit verteilen.»
Damit geben sich die betroffenen Gewerbler aber nicht zufrieden, sagt Armin Zucker vom Geschäftsmieterverband. Sie seien enttäuscht von den bürgerlichen Politikern: «Viele Gewerbetreibende sind stramme bürgerliche Wähler und sie fühlen sich jetzt von ihren Volksvertretern verraten, weil sie gegen die Interessen stimmten der Restaurateure, der Lädelibesitzer und der sonstigen zwangsgeschlossenen Betriebe.» Der generelle Mietzinserlass wäre eine faire Lösung gewesen, fidet er - besser als das was jetzt geschehe.