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Genfer Staatsrat im Visier Affäre Pierre Maudet: die Gold-Deals seiner Gastgeber

  • Die Schweiz war 2016 Hauptabnehmer von Gold aus den Emiraten.
  • Im selben Jahr vergab der Genfer Flughafenverwaltungsrat die Bodenabfertigung der staatlichen emiratischen Gesellschaft Dnata.
  • Eine Gruppe von Flughafenverwaltungsräten verlangt jetzt, der Auftrag müsse neu vergeben werden.

Wenn jemand eine Luxusreise im Wert von mehreren zehntausend Franken verschenkt, dann ist damit meist ein Interesse verbunden. Im Fall der Einladung von Pierre Maudet, seiner Familie und Bekannten 2015 zu einem Formel-1-Rennen in Abu Dhabi berichtete die emiratische Nachrichtenagentur, dass Regierungsvertreter mit ihrem Gast über Sicherheit und wirtschaftliche Zusammenarbeit gesprochen hätten.

Pierre Maudet durch eine Gasse gehend.
Legende: Reiste auf Einladung der Emirate gratis nach Abu Dhabi: Genfer Staatsrat Pierre Maudet. Keystone

Der zweifelhafte Ruf der Emirate

Wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE): Laut Schweizer Zollstatistik geht es dabei fast ausschliesslich um Gold. Problematisch dabei ist, dass die VAE einen Ruf als Drehscheibe für Gold aus Krisen- und Kriegsgebieten haben. Ein Bericht an den UN-Sicherheitsrat von letztem Jahr dokumentiert Goldschmuggel in die VAE und bezeichnet das Land als wichtigen Markt für Gold aus dem Ostkongo.

Die «Rundschau» sprach mit einem Whistleblower aus Dubai, der heute in London lebt. Er führte ein Audit bei der grössten Goldraffinerie in den VAE durch. Die Liste der Regelverstösse, die er dabei feststellte, ist lang: vom Kauf von Gold gegen Bargeld im Umfang von 5 Milliarden Dollar bis zum Import von angeblichen Silberbarren, die unter einer dünnen Silberschicht aus Gold bestanden.

Christoph Wiedmer, Geschäftsführer der Gesellschaft für bedrohte Völker, hat dieses Frühjahr eine Studie zum Thema veröffentlicht. Er sagt: «Wir können den Weg des Goldes nachzeichnen: Vom Konfliktgebiet nach Dubai, dort zur grössten Schmelzerei, die wiederum in die Schweiz exportiert. Daraus können wir schliessen, dass solches Konfliktgold auch in der Schweiz landet.»

99 Prozent der Goldimporte ohne Kontrolle

Gold aus Sklavenarbeit in der Schweiz? Für die Kontrolle der Importe sind die Zollbehörden zuständig. Der «Rundschau» liegt indes ein unveröffentlichter Expertenbericht an den Bundesrat vor, der feststellt: Weniger als ein Prozent der Goldtransporte werden einer physischen Kontrolle unterzogen. Die Experten stellen fest: «Die Schlüsselherausforderung sind die blinden Flecken bezüglich der Herkunftsländer von Rohgold und die nicht quantifizierbaren Anteile verschiedener Goldquellen.»

Der renommierte Experte für Korruption und Geldwäscherei, Mark Pieth, nimmt den Zoll in Schutz. Die Gesetzesgrundlage in der Schweiz sei so, «dass der Zoll sich anlügen lassen muss. Der Zoll kann nicht feststellen, woher das Gold kommt. Überprüft wird nur der Absender und deshalb heisst es dann, das Gold kommt aus Dubai oder Abu Dhabi und nicht aus Darfur.»

Transport, Bodenservice und Abfertigung

In diesem Licht wird auch die Frage, wer die Fracht der Flugzeuge kontrolliert, brisant. Der Auftrag für die Bodenabfertigung, das Laden und Entladen der Flugzeuge war im Oktober 2015 neu ausgeschrieben worden. Pierre Maudet war damals Volkswirtschaftsdirektor und Präsident des Flughafenverwaltungsrats.

Gemäss «Rundschau»-Recherchen kümmert sich Dnata in Genf nicht nur um den Warentransport, sondern verfügt auch über eine Abteilung für die Zollabfertigung. Transport, Bodenservice und Abfertigung: die Logistikkette aus den Emiraten liegt damit ganz in den Händen von Firmen der Regierung.

Zweifel bei Flughafen-Verwaltungsräten

Im November 2015 reiste Maudet für eine angebliche Privatreise mit Familie, Stabschef und libanesischen Investoren nach Abu Dhabi. Der «Rundschau» liegen Dokumente vor, die zeigen, dass Maudet und sein Stabschef bei der Vergabe im März 2016 intervenierten, dass Maudet sich eigens die Sitzungsprotokolle zum Thema kommen liess und sich daran störte, dass ein einfacher Verwaltungsrat mit einer konkurrierenden Firma ein Gespräch geführt hatte.

Dass er selbst sich zu einer Luxusreise hatte einladen lassen, verschwieg Maudet hingegen. Eine Gruppe von Verwaltungsräten fühlt sich hinters Licht geführt. Sie verlangen deshalb eine Untersuchung durch den Genfer Rechnungshof und eine Wiederholung der Ausschreibung.

Emiratisches Gold wird zu Schweizer Gold

Pierre Maudet lässt dazu ausrichten: Er habe lediglich seine Aufsichtspflichten wahrgenommen, er habe keine der Firmen bevorzugt. Ausserdem erklärt seine Sprecherin, Goldhandel sei im Zusammenhang mit der Reise nach in Abu Dhabi nie ein Thema gewesen.

Bleibt die Frage, warum die Emirate derart viel Gold in die Schweiz exportieren. Der Experte für Geldwäscherei, Mark Pieth, erklärt: «Die Emirate haben das Problem, dass sie als Sammelort für Gold zweifelhafter Herkunft gelten, ihre Raffinerien haben deshalb keinen internationalen Stempel, den es braucht, um die Goldbarren auf dem Weltmarkt verkaufen zu können.»

Der Export in die Schweiz diene demnach dem Umschmelzen der Goldbarren – womit emiratisches zu Schweizer Gold werde. Die Schweizer Goldraffinerien lehnten Interviews zum Thema ab. Stattdessen versichern sie, dass man die Sorgfaltspflicht ernst nehme.

Anmerkung vom 9. Oktober 2020

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Die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) hat am 7. Juni 2019 eine Beschwerde gegen den Fernsehbeitrag mit fünf zu drei Stimmen gutgeheissen ( https://www.ubi.admin.ch/inhalte/entscheide/b_803.pdf ).

Die UBI kam zum Schluss, dass die Informationen bezüglich der umstrittenen Reise nach Abu Dhabi in Zusammenhang mit der Vergabe eines Auftrags des Genfer Flughafens sowie den Goldimporten aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) insgesamt einseitig, tendenziös und unvollständig waren. Gemäss UBI fokussierte die Redaktion auf Aspekte, welche die Reise und damit auch den Genfer Politiker in ein schlechtes Licht stellten. Relevante Gegenargumente als auch der Standpunkt von Pierre Maudet seien nicht genügend zum Ausdruck gekommen. Die Formulierungen und die Bildsprache hätten zusätzlich zur Einseitigkeit der Berichterstattung beigetragen. Das Publikum konnte sich daher keine eigene Meinung zum Beitrag bilden. Die UBI stellte eine Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots fest.

Eine Beschwerde der SRG gegen diesen Entscheid wies das Bundesgericht am 28. August 2020 ab; die UBI habe zu Recht eine Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots festgestellt.

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