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Gesetz zu CO2-Emissionen Nichts weiter als ein Papiertiger?

Das Schweizer Handelssystem mit Verschmutzungsrechten soll dem der EU folgen. Doch beide sind praktisch wirkungslos.

Zementwerke, Erdöl-Raffinerien, Papierfabriken: Solche energieintensiven Firmen sind in der Schweiz dem Emissionshandels-System angeschlossen. Dieses gibt der Umweltverschmutzung einen Preis: Wer CO2 ausstösst, muss dafür Emissionsrechte besitzen.

Wer mehr Klimagase ausstossen will, muss Rechte hinzukaufen, wer sauberer produziert als vorgesehen, kann sie verkaufen. Theoretisch ist dies ein effizienter Marktmechanismus, der Firmen einen Anreiz bietet, Klimaschutz zu betreiben.

Theorie und Praxis

In der Praxis sehe es aber anders aus, sagt WWF-Klimaschutzexperte Patrick Hofstetter. Der Bund habe den Firmen viel zu viele Rechte verteilt: «Die Zementindustrie kriegt mehr Emissionsrechte, als sie Emissionen hat. Das heisst, sie bekommt mehrere Millionen Franken von der Verwaltung – ohne eine Gegenleistung.» Das sei nicht Klimaschutz, kritisiert Hofstetter, sondern «Papier hin- und herschieben.»

Die Lobbymacht der Betroffenen ist so gross, dass ständig zu viele Emissionsrechte da sind und es de facto keine Wirkung gibt.
Autor: Patrick Hofstetter WWF-Klimaschutzexperte

Diese Kritik wird von einem Bericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle vom letzten Jahr bestätigt. Er stellt die Wirkung des Schweizer Emissionshandelssystems in Frage. Zu viele Zertifikate seien kostenlos zugeteilt worden, die Schweiz sei als Handelsplatz zu klein – mit nur rund 50 Firmen, die überhaupt daran teilnehmen.

Das neue CO2-Gesetz will es möglich machen, die Verschmutzungsrechte wieder aus dem Umlauf zu nehmen. Ebenfalls möchte der Bundesrat das Schweizer System an das europäische anbinden. Das begrüsst die energieintensive Industrie. Sie möchte gleich gestellt werden wie ihre Konkurrenten in der EU.

Generell ist das Emissionshandelssystem ein sehr mächtiges und effizientes Instrument für die Klimapolitik.
Autor: Stefan Vannoni Direktor des Verbandes der Schweizerischen Zementindustrie

Zur Kritik am bisherigen System sagt Stefan Vannoni, Direktor des Verbandes der Schweizerischen Zementindustrie: «Es gibt immer Verbesserungspotenzial. Generell ist das Emissionshandelssystem ein sehr mächtiges und effizientes Instrument für die Klimapolitik.» Die CO2-Belastung sei ein globales Problem, das international oder zumindest kontinental angegangen werden müsse.

Swiss wehrt sich gegen das Gesetz

Doch die Luftverkehrsbranche, namentlich die Lufthansa-Tochter Swiss, wehrt sich gegen das neue Gesetz. Sie ist heute vom CO2-Handel ausgenommen, ihre Konkurrenten im EU-Raum aber müssen Emissionszertifikate kaufen. Diesen Wettbewerbsvorteil will sie nicht aufgeben.

Damit droht der geplante Anschluss an das europäische System abzustürzen, sagt SP-Energiepolitiker Eric Nussbaumer: «Es gibt verschiedene Strömungen aus der Umweltschutzbewegung und der Industrie, die diese Verlinkung für unnnötig halten. Sie finden, die Schweiz solle alleine unterwegs sein. Daher ist es unklar, wie sich die Mehrheiten bilden werden.»

Hat die EU die Mängel behoben?

Nussbaumer befürwortet einen Anschluss an das europäische System, auch wenn er kritisiert, dass es auf europäischer Ebene viel zu viele Verschmutzungsrechte gibt. Der Preis für eine Tonne CO2 liegt seit Jahren im Keller.

Das ändere sich jedoch, sagt Andrea Burkhardt, Leiterin Klimapolitik beim Bundesamt für Umwelt: «Die EU hat die Mängel nun behoben, indem sie die Möglichkeit geschaffen hat, dem Markt Emissionsrechte zu entziehen.» Schon allein die Ankündigung habe sich spürbar ausgewirkt: Die Preise hätten sich fast verdreifacht, sagt Burkhardt.

Noch ist der Preis einer Tonne CO2 in der EU aber nicht einmal halb so hoch, wie er sein müsste, um einen Klimaschutz-Anreiz zu bieten.

Gut gedacht, aber...

Das Versprechen, dass Reformen das System ins Lot bringen würden, habe er schon viele Male gehört, sagt Patrick Hofstetter vom WWF. Er sei da wenig zuversichtlich: «Die Lobbymacht der Betroffenen ist so gross, dass ständig zu viele Emissionsrechte da sind und es de facto keine Wirkung gibt.»

So scheitere ein eigentlich sinnvolles ökonomisches Instrument an den Realitäten der Politik. Nun bekräftigen aber alle beteiligten Seiten, dass das Emissionshandelssystem in der nächsten Runde wirksam sein wird.

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