Nach der kleinen Kammer hat heute auch der Nationalrat einem Gesetzesprojekt zugestimmt, dass Opfer von häuslicher Gewalt und Stalking besser schützen soll. Der Entscheid fiel mit 122 gegen 62 Stimmen.
Es sei ein wichtiger Schritt für den besseren Schutz von Gewaltopfern, betonte Viola Amherd (CVP/VS). Sie verwies auf über 17'000 Straftaten von häuslicher Gewalt im letzten Jahr – mit 21 Toten, die meisten davon Frauen.
Zentral sind die neuen Regeln, die Parlament und Bundesrat im Strafrecht bei der Sistierung und Einstellung von Verfahren wegen häuslicher Gewalt aufstellen.
Opfer unter Druck
Konkret geht es dabei um einfache Körperverletzung, wiederholte Tätlichkeiten, Drohung oder Nötigung in Paarbeziehungen. Neu wird es hier künftig nicht mehr allein von der Willensäusserung des Opfers abhängen, ob ein solches Strafverfahren fortgeführt wird. Vielmehr sollen die Strafbehörden für den Entscheid verantwortlich sein.
Denn viele Täter setzen ihre Opfer unter Druck, um die Einstellung des Verfahrens zu erwirken. Verfahren dürfen jedoch weiterhin sistiert werden, wenn das zu einer Stabilisierung oder Verbesserung der Lage des Opfers beiträgt, betonte Justizministerin Simonetta Sommaruga.
Wann darf ein Verfahren sistiert werden?
Bei Verdacht auf wiederholte Gewalt in einer Paarbeziehung soll das Verfahren allerdings nicht mehr sistiert werden dürfen. Zudem kann die Strafbehörde anordnen, dass die beschuldigte Person für die Zeit der Sistierung ein Lernprogramm gegen Gewalt besucht.
Eine Minderheit im Nationalrat wollte die Bestimmung zur Einstellung oder Sistierung ganz aufheben. Viele Opfer würden bereits heute ihren Strafantrag zurückziehen, obwohl häusliche Gewalt ein Offizialdelikt sei, begründete Andrea Geissbühler (SVP/BE). Die Täter müssten bestraft werden.
Damit tue man Opfern keinen Gefallen, denn dann spiele deren Wille überhaupt keine Rolle mehr, warnte Justizministerin Simonetta Sommaruga mit Erfolg. Der Nationalrat lehnte die Anträge deutlich ab.
Bewegungsdaten als Beweis
Die meisten Änderungen waren unbestritten. Dazu gehören elektronische Fussfesseln zur Überwachung der Durchsetzung von Kontakt- und Rayonverboten auf Antrag des Opfers. Die Massnahme kann für jeweils höchstens sechs Monate angeordnet und nötigenfalls um sechs Monate verlängert werden.
Auch können der überwachten Person die Kosten der Massnahme wie auch die Gerichtskosten auferlegt werden. Letzteres mit Blick auf vermögende Personen. Ein SP-Einzelantrag wollte auf eine Kostenüberwälzung verzichten, da Opfer häuslicher Gewalt oft auch wirtschaftlich mit dem Täter verbunden seien. Der Nationalrat winkte ab, ebenso beim Antrag aus der FDP, die mit dem Grundsatz der Kostenlosigkeit argumentiert hatte.