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Schweiz «Ich denke nicht, dass grosse Leichen im Keller sind»

Systematisches Doping, staatlich finanziert. Klingt nach DDR, ist aber auch in der damaligen Bundesrepublik Deutschland passiert. Wurden auch Schweizer Sportler gedopt? Matthias Kamber von der Stiftung Anti-Doping Schweiz im Gespräch.

Matthias Kamber spricht an einer Pressekonferenz im Jahr 2011.
Legende: Matthias Kamber, Direktor der Stiftung Anti-Doping Schweiz: «Es gab Einzelfälle.» Keystone

Eine breit angelegte Untersuchung der Berliner Humboldt-Universität zeigt das Ausmass des deutschen Doping-Sumpfes in den 70er und 80er Jahren. Leichtathleten, Fussballspieler, Minderjährige – an allen wurden Substanzen ausprobiert, manchmal sogar mit tödlichen Folgen. Ein Blick in die Schweiz.

SRF: Wurde in der Schweiz damals ebenfalls flächendeckend gedopt?

Matthias Kamber: Darüber weiss man relativ wenig. Man hat bisher keine derartige Untersuchung angesetzt. Diejenige in Deutschland lief über vier Jahre. In der Schweiz hatten wir nur eine kleine Untersuchung. Das war eine Kommission, die von 1992 bis 1993 die Vorwürfe untersuchte, ob in der Leichtathletik – speziell beim Kugelstosser Werner Günthör – systematisch gedopt wurde.

Audio
Gespräch mit Matthias Kamber, Stiftung Anti-Doping Schweiz
aus SRF 4 News aktuell vom 06.08.2013.
abspielen. Laufzeit 6 Minuten 2 Sekunden.

Wenn Sie jetzt die Resultate aus Deutschland sehen, denken Sie nicht, dass man das Thema in der Schweiz auch etwas genauer untersuchen müsste?

Ich denke nicht, dass sehr viel dabei herauskommen würde. Ich bin überzeugt, dass keine derart breite Anwendung von Anabolika stattgefunden hat. Aber wir wissen natürlich ganz klar, dass es einzelne Ärzte gegeben hat, die einzelne Athleten mit Anabolika versorgt haben. Oft wurde das mit therapeutischen Zwecken begründet, damit eine Verletzung schneller abheilte. Das wurde damals auch so akzeptiert.

Wieso denken Sie, dass nicht mehr ans Licht kommen würde, wenn man genauer hinschauen würde?

Doping-Bericht veröffentlicht

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Nach längerem Tauziehen ist am Montag die Studie «Doping in Deutschland von 1950 bis heute» freigegeben worden. Eine Zusammenfassung des Berichts hat das Bundesinstitut für Sportwissenschaft auf seiner Internetseite publiziert.

Wir haben ein ganz anderes Sportsystem als in Deutschland. In Deutschland hat man diese Olympia-Stützpunkte, die sich damals gegenseitig übertreffen wollten. Das haben wir in der Schweiz nicht. Aber wir hatten natürlich einzelne Exponenten, vor allem einzelne Ärzte, die teilweise sehr hohe Funktionen bekleideten, die auch mit Doping gearbeitet haben.

Muss man nicht annehmen, dass Schweizer Ärzte, die Sportler betreut haben, sich mit deutschen Ärzten ausgetauscht und offen über Doping gesprochen haben?

Ja, das ist sogar richtig so. Man kannte sich von Kongressen her. Ich kenne einen Fall, als ein Kongress in der Schweiz stattfand. Damals tauschte man sich offen darüber aus, wie Anabolika nutzbringend eingesetzt werden konnten. Weil sie teilweise schwer nachweisbar waren und teilweise noch keine Trainingskontrollen stattfanden, konnte man sie zum Aufbau benutzen und dann kurz vor dem Wettkampf absetzen. Es ist ganz klar, dass dort ein entsprechender Austausch – vor allem in der Deutschschweiz – mit den deutschen Ärzten stattgefunden hat.

Erstaunlich an der deutschen Studie ist auch, dass das Doping staatlich finanziert und somit von oben herab gefördert wurde. Gab es so etwas in der Schweiz auch?

Nein, das hat nicht stattgefunden. In dieser Doping-Untersuchungskommission von 1992 haben wir gerade auch diesen Vorwurf angeschaut, ob zum Beispiel die damalige Sportschule in Magglingen, wie der Spiegel schrieb, ein Netzwerk und Grossverteiler von Anabolika im Sport war. Das war nicht der Fall. Ich weiss aber von Publikationen und Experimenten aus den Jahren 1968 bis 1974. Da wurden in Magglingen Anabolika abgegeben, vor allem zu Erholungszwecken und Forschungsgründen. Aber damals waren Anabolika noch nicht verboten. Als sie dann 1975 auf die Dopingliste kamen, wurden diese Versuche natürlich eingestellt.

Sie glauben also nicht, dass im Schweizer Sport in Sachen Doping noch Leichen im Keller liegen, was die 70er und 80er Jahre betrifft?

Ich denke nicht, dass grosse Leichen im Keller sind. Ich bin nicht sicher, ob alles aufgearbeitet wurde. Aber ich bin überzeugt, dass wir keine grossen Entdeckungen machen würden, wenn wir eine derartige Untersuchung jetzt auch in der Schweiz durchführen würden.

Das Gespräch führte Urs Gilgen.

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