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Schweiz Immer mehr Tomografien: Natürliche Entwicklung oder schädlich?

Untersuchungen mithilfe von Ultraschall, Computer- und Magnetresonanztomografie nehmen stark zu, die Kosten dafür auch. Das zeigen Zahlen, die SRF News vorliegen. Die Krankenkassen halten viele dieser Untersuchungen für unnötig, einige sogar für gefährlich. Nun will der Bund handeln.

Legende:
Entwicklung der bildgebenden Verfahren Das Diagramm zeigt die Entwicklungen der bildgebenden Verfahren (in Prozent), die ambulant von Ärzten durchgeführt wurden. Da die Daten nach Behandlungsbeginn datieren, sind die Zahlen aus dem Jahr 2015 zum Zeitpunkt der Auswertung noch nicht ganz vollständig. Abkürzungen: Computertomographie (CT), Magnetresonanztomographie (MRI). Die Entwicklung des Röntgenverfahren ist abgebildet, um den Vergleich mit den anderen bildgebenden Verfahren sichtbar zu ermöglichen. Santésuisse

Ein dumpfes Surren erklingt aus dem Magnetresonanztomografen (MRI). Es ist ein Geräusch aus dem Alltag von Ärzten. Mit dem Tomografen untersuchen Ärzte zum Beispiel Kopf und Gelenke. Sie tun das immer häufiger. Im Jahr 2015 haben sie einen Drittel mehr MRI-Untersuchungen gemacht als 2010.

Nicht nur diese Untersuchungen haben zugenommen. Computertomografien (CT) – ein CT braucht man etwa, um die Ursache von Bauchschmerzen herauszufinden – sind ein Viertel häufiger benutzt worden. Auch Ultraschalluntersuchungen nehmen stark zu.

Verordnen Ärzte zu viele Tomografien?

Festgestellt hat das der Krankenkassenverband Santésuisse. Für Direktorin Verena Nold herrscht deshalb Alarmstufe Rot: «Die Menge dieser Untersuchungen nimmt überdurchschnittlich zu, vor allem Computertomografien und MRI-Untersuchungen. Das lässt darauf schliessen, dass hier eher zu viel als zu wenig gemacht wird.»

Diese bildgebenden Verfahren sind sehr teuer. Zwei Milliarden Franken pro Jahr kosten alle Bilder zusammen, die Ärzte von ihren Patienten produzieren. «Das ist sehr viel Geld und ein sehr grosser Teil der Gesamtkosten der obligatorischen Grundversicherung», sagt Nold.

Die moderne Bildgebung in der Medizin könne gewiss auch ein Segen sein. Probleme gebe es, wenn der Arzt, der die Untersuchung anordne, auch das Geld dafür einstecke, wenn er den Patienten nicht an einen Arzt ausserhalb seiner Praxis überweise. Oder wenn er den Patienten zwar überweise, aber an einen Kollegen innerhalb der Gruppenpraxis, so dass beide am Bild verdienten. Bezahlen müssten das am Schluss alle, über höhere Krankenkassenprämien.

In der Schweiz stehen viele Tomografen

Hier doppelt Oliver Peters nach. Er ist Vizedirektor im Bundesamt für Gesundheit. «Man kann ein MRI-Gerät schon mit einer Auslastung von unter 50 Prozent rentabel betreiben. Und das fördert natürlich die Lust, hier unnötige Leistungen zu erbringen», sagt er. So erstaunt es nicht, dass in kaum einem anderen europäischen Land mehr solche Geräte stehen als in der Schweiz und dass Institute für medizinische Bilder florieren.

Ein Mann in einem MRI, vorne der Rand eines Bildschirms.
Legende: Eine Computertomografie ist manchmal nötig, und manchmal nicht. Aber vor allem ist sie teuer. Keystone

Doch die Computertomografen setzen Patienten einer Strahlendosis aus, die schädlich sein kann. Das sind die Vorwürfe an die Ärzte, vor allem an Herz- und Gefässspezialisten sowie an Radiologen.

Michael Zellweger kontert als designierter Präsident der Schweizer Herzspezialisten stellvertretend für die ganze Ärzteschaft: «Die vielen Bilder sind eine natürliche Entwicklung eines Gesundheitssystems, das eine moderne Medizin macht», sagt er.

Gerade die Herzspezialisten bräuchten Bilder. Das CT zum Beispiel mache so manche Diagnose am Herzen viel einfacher. Und sogar dann, wenn dem Patienten gar nichts fehle, könne es sinnvoll sein: «Das heisst auch, dass mit einer solchen Untersuchung die Patienten beruhigt und viele potenziell teure Nachfolgeuntersuchen vermieden werden können. Damit hilft sie den Patienten sehr.»

Die Strahlenbelastung gebe es zwar, aber sie sei in den letzten Jahren deutlich kleiner geworden, sagt Zellweger. Damit könne man angesichts des grossen Nutzens von CT-Untersuchungen leben. Der Herzspezialist ist sicher, dass seine Kollegen medizinisch denken und nicht etwa monetär. «Ob es da gewisse Ausreisser gibt, das kann man nicht wissen. Aber ich denke, im grossen Stil dürfte das nicht vorhanden sein.»

Krankenkassen fordern Gewaltenteilung

Verena Nold, die Direktorin des Krankenkassenverbands, lässt sich dadurch nicht besänftigen. «Deshalb fordern wir, dass eine Gewaltenteilung eingeführt wird. Das heisst, dass der Arzt, der die Behandlung durchführt, nicht gleichzeitig die Computertomografie oder das MRI selbst anordnet und durchführen kann.»

Audio
Viele der durchgeführten Untersuchungen sind unnötig
aus Echo der Zeit vom 13.06.2016. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 2 Sekunden.

Genau so wichtig ist für sie, dass Ärzte nicht mehr pro Untersuchung Geld erhalten sollen. Stattdessen wünscht sich Nold Pauschalen für ganze Behandlungen, so dass es sich nicht mehr lohnt, möglichst viele Bilder zu schiessen.

Das hört Oliver Peters vom BAG gerne. Der Bund möchte ebenfalls, dass die Ärzte pro Bild weniger verdienen. Jetzt ist ein guter Moment dafür, denn gerade erst haben es die Ärzte verpasst, sich auf ein neues Lohnsystem zu einigen. Schaffen sie das auch im nächsten Anlauf nicht, wird der Bund ihren Lohn bestimmen.

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