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Infrastrukturprobleme der SBB? «Die Argumentation stimmt von A bis Z nicht»

Die SBB habe die Gleise vernachlässigt, titelt der «Blick» heute und untermauert die Schlagzeile mit diesen Zahlen: 25 Prozent der Gleise seien in schlechtem Zustand, 13 Prozent sogar ungenügend. Man habe in früheren Zeiten – von 1995 bis 2010 – den Unterhalt vernachlässigt. Das bestätigt im «Blick» jener Mann, der bei der SBB heute für Gleise, Weichen und Fahrleitungen zuständig ist. Benedikt Weibel war zu jener Zeit Vorsitzender der SBB und wehrt sich vehement gegen die Vorwürfe.

Benedikt Weibel

Ex-Manager

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Der 72-Jährige war von 1993 bis 2006 Vorsitzender der Geschäftsleitung der SBB und damit deren Generaldirektor.

SRF News: Hatten Sie als SBB-Chef den Unterhalt nicht im Griff?

Benedikt Weibel: Ich möchte zuerst eine andere Zahl nennen. Es steht, dass 14 Prozent der Verspätungen auf Infrastruktur zurückzuführen seien. 86 Prozent betreffen somit nicht die Infrastruktur. Diese bekannten Stellwerkstörungen, Fahrleitungsstörungen, Rollmaterialstörungen, all das, was man als Kunde auch merkt, wenn man die Begründungen hört. Die Argumentation stimmt von A bis Z nicht und fixiert sich auf ein Randproblem. Das Hauptproblem sind die 86 Prozent, aber das hat mit Infrastruktur nichts zu tun.

Aber 14 Prozent sind immer noch 14 Prozent zu viel?

Sie werden nie null Prozent haben. Die 14 Prozent sind ein bescheidenes Ausmass. Als Beispiel im Artikel wird die Strecke Basel-Brig genannt, dort sollen die Verspätungen besonders hoch sein.

Der heutige Erfolg der SBB basiert auf der Bahn 2000.

Das kann ich nicht nachvollziehen. Auf dieser Strecke haben wir den Hauensteintunnel, welcher während meiner Zeit saniert worden ist. Die Neubaustrecke ist erst seit 2005 in Betrieb. Zusätzlich hat man den Lötschberg-Basistunnel, der noch neuer ist. Das hat mit Infrastruktur nichts zu tun.

Die Zahlen der SBB zeigen, dass die Belastung des Schienennetzes seit 1995, also ihrem Amtsantritt, stetig zugenommen hat, während Unterhaltsarbeiten um die Hälfte zurückgingen. Wie erklären Sie sich das?

Diese Zahlen kann ich mir nicht erklären und sie gehen am Problem vorbei. Das echte Problem hat sich Ende 2004/Anfangs 2005 abgespielt. Damals wurde die Bahn 2000 in Betrieb genommen, was alles verändert hat. Der heutige Erfolg der SBB basiert auf der Bahn 2000. Die Anzahl Züge wurde um 13 Prozent erhöht. Es wurden insgesamt 135 Bauprojekte realisiert, darunter eine Neubaustrecke. Von da an ist der Unterhalt massiv gestiegen. Das ist das eigentliche Problem.

Geld hatten sie aber nicht endlos zur Verfügung. Hat man da die Prioritäten falsch gesetzt, also Ausbau um jeden Preis?

Der Ausbau war ein Entscheid des Volkes. Ende 1987 hat das Volk die Bahn 2000 angenommen. Zum Glück haben wir diese Bahn 2000 gemacht. All das, was wir heute beim Schweizer Bahnnetz so gut finden, basiert auf diesem Projekt.

Das ist schon fast rufschädigend.

Die Mittel für den Unterhalt waren im ordentlichen Budget und getrennt. Hier hatten wir mit dem Bund jeweils sehr harte Verhandlungen. Und die Budgets haben wir auch stets ausgeschöpft.

Also wenn ich Ihnen zuhöre, höre ich keine Selbstkritik diesbezüglich?

Nein.

Obwohl Ihr Nachfolger Andreas Meyer mal gesagt hat, er habe bezüglich Unterhalt eine marode Firma übernommen?

Das ist schon fast rufschädigend. Wir hatten im Jahr 2006 das ganze Kader der SNCF, also der französischen Staatsbahn, bei uns zu Gast. Sie haben mir damals gesagt, dass der Zustand des Bahnnetzes in der Schweiz im Vergleich mit Frankreich unglaublich sei. Ich bin jetzt zwölf Jahre weg und ich habe es leid, da noch Rede und Antwort zu stehen.

Das Gespräch führte Simon Leu.

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