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«Invasiver Krebs» Der Signalkrebs krallt sich die Schweizer Gewässer

Das aus Nordamerika stammende Tier bedroht einheimische Arten. Doch Fischer machen aus der Not eine Tugend.

Der 28-jährige Jérémy Clerc stammt aus einer Fischer-Dynastie. In fünfter Generation werfen die Clercs ihre Netze im Genfersee aus. Eines ihrer Fischerhäuschen befindet sich in Prangins in der Nähe von Nyon, eingeklemmt zwischen Luxusvillen.

Es wird nicht gelingen, die invasiven Krebse zu eliminieren.
Autor: Frédéric Hoffmann Leiter des Waadtländer Fischerei Inspektorats

Unter Beobachtung der stetigen Begleiter des Fischerbootes zieht er zehn Reusen am Seil hoch. In jeder einzelnen befinden sich Krebse. Der junge Fischer wirft sie in eine grüne Schachtel.

«Ich habe etwas weniger gefangen, als ich dachte. An dieser Stelle in Ufernähe gibt es normalerweise enorm viele Krebse», sagt Clerc. «Diese Bucht ist ein wahres Krebsnest. Hier werfen wir keine Netze mehr aus.» Viele Krebse. Das gilt aber nur für die invasiven Krebsarten. Einheimische wie den Edelkrebs findet Clerc hier nicht mehr.

Begehrte Ware in der Haute Cuisine

«Als ich ein Bub war, sah man noch nicht viele Signalkrebse. Heute aber sind sie überall. Wir haben uns einen Markt für sie gesucht. Jetzt fischen wir sie und liefern sie am Kunden. In den vielen Spitzenrestaurants der Region sind die Krebse aus dem Léman schon länger angekommen. Sie werden zu einer Terrine verarbeitet oder als Sud einer Fischsuppe verwendet. Aber auch immer mehr normale Restaurants oder Privatpersonen kaufen die Krebse.

Ein kleines Plus: das heisst 15 Franken pro Kilo Krebse. Im Gegensatz zu 65 Franken für ein Kilo Eglifilet.
Autor: Jérémy Clerc Fischer

Diese amerikanischen Signalkrebse könnten dadurch allerdings nicht ausgerottet werden sagt, Frédéric Hoffmann, Leiter des Waadtländer Fischerei Inspektorats. «Die Waadt hat die Seen deshalb aufgegeben. Es wird nicht gelingen, die invasiven Krebse zu eliminieren.» Sie versucht nun, die kleinen Flüsschen und Bäche zu schützen, da es dort noch einheimische Krebse gibt.

Bielersee, Aare, Rhein, Zürichsee

Dieses Bild zeigt sich auch in anderen grossen Schweizer Seen oder Flüssen. Und auch aus dem Bielersee, der Aare, dem Rhein oder dem Zürichsee werden Krebse gefischt, wenn auch in geringeren Mengen als am Genfersee.

Der Bund hat für diese Fischerei strenge Regeln erlassen. Tiere dürfen nur mit einer Ausnahmebewilligung lebendig transportiert werden, damit sie sich nicht weiter ausbreiten. So steht es im Aktionsplan des Bundes zum Schutz von einheimischen Arten. Das Krebsfischen birgt aber auch Risiken.

Denn eine wirtschaftliche Nutzung kann auch Begierden wecken. Das zeigte sich etwa in Schweden. Raphael Krieg, Co-Leiter der Schweizer Koordinationsstelle für Flusskrebse: «Unsere Erfahrungen aus Schweden haben gezeigt, dass es zu vielen Einführungen in andere Gewässer geführt hat, was sehr schlecht ist.

Im Fall des Genfersees geht man davon aus, dass die Krebse in den 1980er Jahren aus einer Forschungsanstalt in Frankreich den Weg in den See fanden. Auf dem Fischerboot hat Jeremy Clerc inzwischen alle Reusen geleert. Der junge Fischer legt Köpfe und Gräte von Felchen und Barschen als Köder in die Reusen und wirft sie wieder ins Wasser.

Aus der Not eine Tugend gemacht

Vor allem die Fänge von Felchen gehen im Genfersee zurück. Und die Fischer haben Konkurrenz von Tausenden von Kormoranen erhalten. Diese Vögel machen ihnen die Fische streitig.

Die Krebse sind da eine willkommene Kompensation, wenn auch eine eher magere. «Ein kleines Plus: das heisst 15 Franken pro Kilo Krebse. Im Gegensatz zu 65 Franken für ein Kilo Eglifilet.» Dennoch haben die Fischer aus der Not eine Tugend gemacht und wollen die vielen Signalkrebse weiterhin nutzen.

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