Isabelle Moret sitzt seit 13 Jahren für die FDP im Nationalrat. In der ganzen Schweiz bekannt wurde sie aber erst vor zwei Jahren als Bundesratskandidatin. Sie verlor die Wahl damals deutlich gegen den heutigen Aussenminister Ignazio Cassis. Auch der Genfer Staatsrat Pierre Maudet machte ein besseres Resultat als sie.
Nicht nur positive Schlagzeilen
Die Bundesratskandidatur endete auch wegen widersprüchlicher Aussagen zu ihrem Einkommen und ihrer Mitgliedschaft bei einer rüstungsfreundlichen Organisation in einer herben Niederlage. Dennoch sagt Moret rückblickend, es habe auch Positives gegeben. «Meine beste Erinnerung ist die Anhörung in den Fraktionen.» Viele Kolleginnen und Kollegen hätten sie so besser kennengelernt.
Auch nach der Bundesratskandidatur sorgte Moret nicht nur für gute Schlagzeilen. So legte der «Tages-Anzeiger» offen, dass sie seit 2008 keine rechtskräftige Steuerverfügung mehr erhielt. Das ist auch auf die Scheidung von ihrem Mann zurückzuführen, die sich seit Jahren hinzieht. Moret sagt dazu nichts mehr, bis diese Verfahren beendet sind.
Eine typische Waadtländer Freisinnige
Einer, der Morets Karriere stets verfolgt hat, ist eine ehemalige Grösse der Waadtländer FDP: der frühere Nationalrat Yves Christen. Er hatte ein Jahr vor den Wahlen 2007 seinen Nationalratssitz geräumt, damit Isabelle Moret nachrutschen konnte. Christen sagt, dass Moret bei der Bundesratskandidatur schlecht beraten gewesen sei.
Dennoch bereut der 78-Jährige keinesfalls, dass er Moret den Einzug in den Nationalrat ermöglicht hat. Sie sei eine typische Waadtländer Freisinnige, eine mit einem sozialen Gewissen. So setzte sich Moret für mehr Steuerabzüge für Kinderbetreuungskosten ein. Doch sie ist auch eine Wirtschaftsvertreterin und sitzt im Vorstand des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse. Auch präsidiert sie den Spitalverband H+.
Bei den Kollegen beliebt
Im Nationalrat sitzt Moret in der Gesundheits- und der staatspolitischen Kommission. Sie kommt auch bei Politikern anderer Couleur gut an. Balthasar Glättli, Fraktionschef der Grünen, hält sie für «überzeugend, offen, charmant». Auch von rechts der FDP kommt fast nur Lob. So sagt der Waadtländer SVP-Nationalrat Michaël Buffat, sie spreche Schweizerdeutsch, sei «intelligent und motiviert».
Dass Moret als eine der wenigen welschen Politikerinnen und Politiker Schweizerdeutsch spricht, hat mit ihren Eltern zu tun: Beide haben Deutschschweizer Wurzeln. Sie lernten sich an der Landesausstellung Expo 64 in Lausanne kennen und blieben in der Romandie.
Eine FDP-Frau nahe der Mitte
Als Nationalratspräsidentin hat Moret die verschiedenen Generationen im verjüngten Parlament im Fokus. Sie selbst liegt mit 48 Jahren genau im Altersdurchschnitt.
Mit ihrer Wahl zur Nationalratspräsidentin schliesst sich ein Kreis: Der letzte Nationalratspräsident der Waadtländer Freisinnigen war 2003 Yves Christen. Damit ist der alt Nationalrat zufrieden: «Es ist eine grosse Freude. Und es zeigt, dass es richtig war, ihr den Sitz zu überlassen.» Moret habe ihre Linie als FDPlerin nahe der Mitte immer gehalten.
Isabelle Moret kommt so – nach der gescheiterten Bundesratskandiatur – doch noch zum Erfolg. Ein Jahr lang ist sie jetzt höchste Schweizerin.