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Juden in der Schweiz «Es braucht rasch umfassendere Massnahmen»

Der Terroranschlag eines mutmasslichen Rechtsextremisten im deutschen Halle sorgt auch in der Schweiz für Entsetzen. Insbesondere die jüdische Gemeinde zeigt sich tief betroffen.

Für die Schweizer Gemeinden wünscht sich der Präsident des Israelitischen Gemeindebunds der Schweiz (SIG), Herbert Winter, mehr Unterstützung der Behörden bei den Sicherheitsvorkehrungen.

Herbert Winter

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Der Jurist Herbert Winter ist seit 2008 Präsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds (SIG) .

SRF News: Wie war Ihre Reaktion, als Sie vom Anschlag in Halle erfahren haben?

Herbert Winter: Zunächst möchte ich der jüdischen Gemeinde von Halle und der dortigen Bevölkerung unsere Solidarität ausdrücken. Was in Halle geschehen ist, ist unvorstellbar. Insbesondere möchte ich den Hinterbliebenen der Opfer unser Beileid ausdücken und den Verletzten wünschen, dass sie rasch genesen. Das war nicht nur ein Angriff auf die jüdische Gemeinschaft, sondern auf die Gesellschaft und den Rechtsstaat.

Was bedeutet das Attentat für die jüdischen Gemeinden in der Schweiz?

Wir müssen noch aufmerksamer sein als bisher schon. Die Arbeit mit den lokalen Behörden und der Polizei funktioniert sehr gut, unsere Gemeinden sind deshalb gut geschützt. Die Mitglieder in den Gemeinden fühlen sich weitestgehend sicher. Auch wenn es einzelne Menschen gibt, die Angst haben – wir haben grosses Vertrauen in die Sicherheitsmassnahmen der jüdischen Gemeinden und der Polizei.

Wir machen uns keine Illusionen, dass so etwas nicht auch in der Schweiz passieren kann.

Der Bund stellt in letzter Zeit eine erhöhte Bedrohungslage für die jüdischen Gemeinden fest. Spüren Sie das?

Im Alltag und auf der Strasse spüren wir das zum Glück nicht. Doch wir stellen vermehrt antisemitische Postings und Drohungen in den sozialen Medien fest. Wenn man sieht, was teilweise im Ausland geschehen ist und geschieht, machen wir uns keine Illusionen, dass Ähnliches nicht auch in der Schweiz passieren kann.

Bislang müssen die jüdischen Gemeinden selber für ihre Schutzvorkehrungen aufkommen. Nun will der Bund künftig pro Jahr eine halbe Million Franken zum Schutz von Minderheiten beisteuern. Reicht das?

Es ist ein erster Schritt und dafür sind wir dankbar. Wir erwarten aber, dass schnell weitere, umfassende Massnahmen getroffen werden. Das können eine weitere finanzielle Unterstützung für die Sicherheitsvorkehrungen der jüdischen Gemeinden oder mehr Polizeieinsätze zu deren Schutz sein. Beides soll dazu führen, dass die Gemeinden bei den Sicherheitskosten entlastet werden.

Das Gespräch führte Janis Fahrländer.

Bund beteiligt sich mit 500'000 Franken

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Der Bund will jüdische und muslimische Gemeinschaften besser schützen. Er beteiligt sich künftig mit bis zu 500'000 Franken pro Jahr an den Sicherheitskosten für Minderheiten, die besonders gefährdet sind, ein Ziel von Anschlägen zu werden.

Möglich sind Unterstützungen für bauliche, technische und organisatorische Sicherheitsmassnahmen. Nicht möglich ist hingegen eine Beteiligung des Bundes an den Kosten von Sicherheitspersonal.

Der Bundesrat hat am Mittwoch die entsprechende Verordnung verabschiedet, wie er am Donnerstag mitteilte. Sie tritt am 1. November in Kraft. Die Rückmeldungen in der Vernehmlassung seien überwiegend positiv ausgefallen, heisst es in der Mitteilung.

Unterstützt werden können Minderheiten, die sich durch eine gemeinsame Lebensweise, Kultur, Religion, Tradition, Sprache oder sexuelle Orientierung auszeichnen. Im Fokus dürften jüdische und muslimische Gemeinschaften stehen, schreibt der Bundesrat.

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