Mit einem anschwellenden, langgezogenen «Hey» verabschiedet eine Gruppe junger Leute ihren Dozenten. Eben hat er seine Lektion abgeschlossen, nun gibt es eine fünfminütige Pause im «Campaign Bootcamp» im zürcherischen Wila. Die Jungsozialistin Leona Klopfenstein (24) kann die Pause gut gebrauchen, sie ist etwas müde.
Das Kampagnen-Lager schlaucht sie, 10 bis 12 Stunden Programm täglich, die ganze Woche. Dafür hat sie schon viel gelernt. Was tun, wenn eine Initiative nicht genügend Unterschriften erreicht? Wie bringt man Leute für eine Sache auf die Strasse? Oder wie spricht man mit einem Journalisten?
Politisiert durch den Beruf
Leona Klopfenstein wurde politisiert durch ein Erlebnis in ihrem Beruf als Kinderbetreuerin. Eine Mutter erklärte ihr, dass sie ihr Kind aus dem Hort nehmen müsse, weil es sich für sie schlicht nicht lohne, arbeiten zu gehen. Da wurde Leona klar: «Irgend etwas stimmt nicht». Sie stieg bei den Jusos ein.
Ihre Kolleginnen und Kollegen im Camp haben eine ähnliche Biografie. Wie auch die Leiter, die die Lektionen und Übungen veranstalten. Wie auch jetzt, nach dem Nachtessen, auf dem Dachstock des Lagerhauses.
Zwei Drittel des Zielpublikums nicht interessiert
Eine Kampagne mit Website und Unterschriftensammlung muss geplant werden. Es geht um Antibiotika im Tierfleisch. Mitten in der Gruppenarbeit geht ein Anruf ein; eine Journalistin will innert 20 Minuten ein Statement zu einem tragischen Todesfall im Zusammenhang mit dem Thema. Jetzt muss die Gruppe entscheiden: Soll sie einen Todesfall nutzen, um der eigenen Kampagne mehr Schub zu verleihen? Die Mehrheit ist dafür.
Ziel der Ausbildung ist es, junge Menschen für die Politik zu interessieren, damit sie abstimmen und wählen gehen und vielleicht sogar selbst politisch aktiv werden. Doch das ist schwierig. Über zwei Drittel der jungen Schweizerinnen und Schweizer wollen im Herbst nicht einmal wählen gehen, wie eine Studie zeigt.
Telefonieren und Strassenarbeit funktionieren am besten
Wie mobilisiert man diese politisch Abstinenten? Die Antworten überraschen. Soziale Medien wie Facebook oder Twitter bringen’s nicht, meint etwa Till Aders (27), Copräsident der Alternativen Liste in Schaffhausen. Besser sei es, die Leute auf der Strasse direkt anzusprechen.
Auch das gute alte Telefon wird zum Einsatz kommen, wenn es im Herbst darum gehen wird, die Leute für die Wahlen zu mobilisieren, ergänzt Juso Leona Klopfenstein. Sie sind erstaunlich altmodisch, die Kampagnen-Methoden der Jungpolitiker.
Die Campaign-Bootcamps
Die Campaign-Bootcamps wurden 2013 in Grossbritannien erfunden. Die Bootcamps wenden sich an junge politisch Engagierte in den Bereichen Umwelt- und Naturschutz, Asyl- und Migration, Menschenrechte, Friedens- und Entwicklungspolitik sowie im kirchlichen, gewerkschaftlichen oder parteinahen Umfeld. In der Schweiz werden die Camps unterstützt unter anderen von Helvetas, Unia, Caritas, Greenpeace und der Mercator-Stiftung. |
(Sendebezug: Rendez-vous, 8. Mai 2015)