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Kampf gegen Coronavirus Ruf nach Schulschliessungen – doch der Fernunterricht hat Grenzen

Fernunterricht an Gymnasien und Berufsschulen: Diese Forderung wird lauter, seit mutierte Corona-Viren auch in der Schweiz auftauchen. Aber nicht alle Lehrpersonen sind begeistert vom digitalen Unterricht. Lernschwache und handwerkliche Berufe könnten darunter leiden.

Der Basler Epidemiologe Marcel Tanner fordert in der Sonntagspresse, möglichst schnell wieder Fernunterricht an Gymnasien und Berufsschulen einzuführen. Auch Dagmar Rösler, Zentralpräsidentin des Dachverbands Lehrerinnen und Lehrer Schweiz, kann sich einen «begrenzten Fernunterricht» vorstellen. Gesundheitsminister Alain Berset hat den Kantonen empfohlen, sie sollten sich überlegen, bei steigenden Fallzahlen solche Massnahmen einzuführen.

Aber an der Basis sind längst nicht alle begeistert. Andreja Torriani sagt klipp und klar: «Selbstverständlich freut es uns nicht, dass wir unsere Studierenden wieder digital unterrichten müssen.» Der Kommunikationsverantwortliche von Berufsbildung Schweiz, der am Gewerblich-Industriellen Bildungszentrum Zug GIBZ unterrichtet, sieht klare Grenzen.

Coiffeusen, Schreiner, Gärtnerinnen oder Köche seien auf praktische Übungen und somit auf physische Anwesenheit in der Schule angewiesen, erklärt der Betriebswirtschaftslehrer, den wir zum Interview in einer Schreinerwerkstatt treffen. «Sie brauchen als angehender Schreiner ein Stück Holz, um Pläne auch umsetzen zu können. Sie können als Coiffeuse nicht mit Farben und Schnitt digital üben. Das müssen Sie an einem Kopf machen, es braucht das Haptische.»

«Wir werden grössere Lerndefizite haben»

Zudem gebe es grosse Unterschiede, so Torriani. Informatiker seien digital affin und hüpften geradezu durch die digitale Welt, während andere Berufsgruppen weniger Berührungspunkte hätten und mehr Mühe mit der neusten Technologie bekundeten.

Oft beobachte man es an Mimik oder Gestik, ob jemand eine Aufgabe begriffen habe oder nicht. Dies lasse sich digital viel schwieriger beurteilen. Deshalb sei persönliche Präsenz sehr wichtig. Torriani ist beunruhigt angesichts der aktuellen Entwicklung. «Wir werden über alle Branchen hinweg grössere Lerndefizite haben. Wir sind nun mal im digitalen Raum nicht gleich effizient wie im Präsenzunterricht.»

Auch Andreas Niklaus, Rektor der Kantonsschule Zürich Nord, ist mässig begeistert von den neusten Perspektiven. Fernunterricht funktioniere zwar, sei aber auch problematisch, «weil sich Schülerinnen und Schüler nicht mehr treffen können und kein Lernen in der Gruppe mehr stattfindet.»

Gemischte Gefühle bei Jugendlichen

Musiklehrer Dominik Auchli betont, online lasse sich schlecht musizieren. Auch die Disziplin lasse sich digital schwer kontrollieren. «Der persönliche Austausch ist wichtig, davon lebt die Schule.»

Die Jugendlichen selbst haben oft zwei Seelen in der Brust. So etwa Maeva Lang, Schülerin an der Kantonsschule Zürich Nord. Sie findet Fernunterricht «angenehm, weil ich mir die Zeit selber einteilen kann». Aber seltsam sei es eben doch, wenn persönliche Kontakte fehlten.

Im Gespräch mit SRF gibt es darüber hinaus Stimmen, die vehement für Fernunterricht plädieren, so Gianluca Spinello, Absolvent des 10. Schuljahres an einer Berufsschule in Bern: «Mir wäre lieber, im Lockdown zu sein, damit die Pandemie vorbeigeht. Ich will wieder normal leben und im Sommer die Ferien geniessen.»

Diese Woche werden Bund und Kantone entscheiden, ob und wann Gymnasien und Berufsschulen Lektionen erneut digital erteilen.

10vor10,18.01.21, 21:50 Uhr

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