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Kampf ums Wasser Das Tessin zwischen Naturschutz und erneuerbarer Energie

Die Kraftwerkbetreiber sollen die Restwassermenge in den Flüssen erhöhen. Jetzt legen sie dagegen Rekurs ein.

Seit über 20 Jahren wird im Tessin darüber verhandelt, wie die Flussufer des Ticino, des Brenno und der Maggia renaturiert werden können. Im Fokus der Diskussion auch hier: Der Schutz der Auenwälder und der Fische.

Die aktuelle Forderung der Tessiner Regierung aber, die Restwassermenge zu erhöhen, stösst bei Marold Hofstetter, Direktor der Maggia und Blenio Kraftwerke, auf Unverständnis: «Produktionsmässig macht das für unsere Kraftwerke etwa einen Verlust von sechs Prozent der Jahresproduktion aus, was einem Jahreskonsum einer Stadt wie Locarno entspricht. Das ist massiv.»

Ideologischer Grundsatzentscheid

Ein Produktionsausfall, der auch finanzielle Einbussen für die Kraftwerkbetreiber bedeutete. Die Rede ist von fünf Millionen Franken jährlich. Aber der Plan der Tessiner Regierung sieht vor, dass die Kraftwerkbesitzer vollständig entschädigt würden. Der Kanton Tessin übernähme ein Drittel des Ausfalls, der Rest der Bund.

Stimmt, sagt Kraftwerkbetreiber Hofstetter. Es gehe in diesem Kampf auch nicht ums Geld, sondern um einen ideologischen Grundsatzentscheid: «Die beiden nationalen Interessen, die hier abgewägt werden müssten, sind der Schutz der Auen und Flüsse, und auf der anderen Seite die Produktion von erneuerbare Energie. Unserer Meinung nach wurde das nicht abgewogen.»

Naturschutz versus erneuerbare Energie

Hofstetters Vorwurf: Die Tessiner Regierung gibt dem Naturschutz mehr Gewicht als der Produktion von erneuerbarer Energie, die vom Schweizer Stimmvolk mit der Energiestrategie gefordert wurde.

Der Tessiner Regierungspräsident und Umweltdirektor Claudio Zali entgegnet: «Diese Argumentation ist etwas lächerlich. Es ist klar, dass der Kraftwerkbesitzer seine Macht behalten will und sich wehrt. Falls wir einen Energieengpass haben, können wir jederzeit wieder weniger Restwasser in die Flüsse lassen. Das ist eine Massnahme, die rückgängig gemacht werden kann.»

Kein anderer Kompromiss

Kommt dazu, dass der Bund in seinen Berechnungen für die Energiestrategie diese Ausfälle bereits miteingerechnet hat. Darum ist es für den Tessiner Regierungspräsident auch nicht sinnvoll, einen Kompromiss anzustreben. Er zerschlägt damit Hofstetters Hoffnung, nicht ganz so viel Wasser die Flüsse runter lassen zu müssen. «Das ist bereits ein Kompromiss. Diese Lösung versucht, auch den Kraftwerkbetreibern entgegen zu kommen. Es gibt keinen anderen Kompromiss.»

Wie viel Restwasser künftig die Tessiner Flüsse hinunter fliessen wird, entscheidet in den nächsten Monaten das Tessiner Verwaltungsgericht. Ein Entscheid mit Präzedenzcharakter für andere Bergkantone und Energie-Unternehmen. Auch darum setzt sich der Tessiner Kraftwerkbetreiber vehement gegen die Verfügung der Tessiner Regierung zur Wehr.

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