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Kampfzone Airbnb Wenn Einheimische die Wohnung räumen müssen

In Tourismus-Hotspots wie Interlaken boomt nach wie vor der Airbnb-Markt. Die Kehrseite der Medaille: Einheimische verlieren ihre Wohnung.

Sechs Jahre lang lebte Manuel Lino zusammen mit seiner betagten Mutter in einem Haus im Westquartier von Interlaken. Bis die Besitzerin starb und das Haus an einen Immobilien-Unternehmer verkauft wurde. «Kurz nach dem Verkauf hatten wir die Kündigung im Briefkasten», erzählt Lino und zeigt auf das Kündigungsschreiben. Begründung: «Totalrenovation».

Seither wird das Mehrfamilienhaus bei Airbnb und booking.com vermietet. Lino: «Also für uns war das sehr stressig.» Über ein halbes Jahr habe er nach einer neuen, bezahlbaren Wohnung suchen müssen. Währenddessen habe der neue Vermieter ihn immer wieder gedrängt: «Hast du jetzt eine Wohnung gefunden?»

Kein Einzelfall

Manuel Lino und seine Mutter sind kein Einzelfall. Auch Thomas Zingg wurde nach Jahren in Interlaken gekündigt. Begründung: «Eigenbedarf». Heute wird Zinggs ehemalige Wohnung auf Airbnb für bis zu 341 Franken pro Nacht vermietet. Bei diesen Preisen rechnen sich Touristen deutlich mehr als feste Mieter.

Zingg ist enttäuscht: «Es ist krass. Wir wären gerne geblieben. Interlaken wird ja überschwemmt von Touristen. Man sieht selten noch Einheimische im Dorf. Dass man einfach noch mehr haben will, das ist verrückt.»

Heute gehen in Zinggs ehemaliger Wohnung Touristen ein und aus. Was Zingg einst monatlich an Miete bezahlte, spült Airbnb heute in einer knappen Woche ein.

300 Airbnb-Objekte in Interlaken

Interlaken ist eine der beliebtesten Feriendestinationen in der Schweiz. Davon profitieren auch Online-Vermieter von Ferienwohnungen. Allein beim Online-Portal Airbnb gibt es in Interlaken eine Auswahl von mehr als 300 Objekten.

Sogenannte «Supervermieter» managen dutzende Objekte. Ihr Businessmodell ist professionell. So auch bei Juliet Fowls. Die gebürtige Engländerin lebt seit fünf Jahren allein vom Management ihrer 20 Airbnb-Objekte. Pro Buchung verdient sie 18 Prozent, der Rest gehe an die Hausbesitzer.

Oder Sebastiano Lupica. Er besitzt 39 Angebote in der Region, die er über Airbnb vermietet. «Ich verdiene zwischen 60 und 80 Prozent mehr mit Touristen als mit festen Mietern», gibt der gebürtige Italiener zu. Dass Langzeitmietern teils kündigt wird, um Wohnungen für Touristen freizumachen, stellt er in Abrede.

Strengere Regeln

Die Gemeinde Interlaken hat ein Massnahmenpaket ausgearbeitet, um den Online-Boom im Ferienwohnungsmarkt zu bremsen. Neben einem fixen Anteil von Erstwohnungen soll es in Wohnzonen für Gäste eine Mindestaufenthaltsdauer von fünf Nächten geben. Über die Einführung der Massnahmen wird der Grosse Gemeinderat von Interlaken im Oktober 2020 entscheiden.

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