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Krankenkassen-Prämienexplosion Bundesrat will freie Arztwahl einschränken

  • Der Bundesrat beschliesst Massnahmen gegen die steigenden Gesundheitskosten und will eine Milliarde Franken einsparen.
  • Der Bundesrat möchte unter anderem die freie Arztwahl einschränken: Patienten sollen nicht mehr direkt zu einem Spezialisten gehen.
  • Ein erstes Kostendämpfungspaket wird bereits vom Parlament diskutiert. Nun hat der Bundesrat die zweite Stufe gezündet.

«Die Prämienbelastung ist stetig gestiegen», sagte Bundesrat Alain Berset vor den Medien in Bern. Die Coronakrise mache die Situation nicht einfacher. Es gelte etwas zu tun, um gerade auch Familien vom Prämiendruck zu entlasten: «Es gibt aber nicht DIE Massnahme. Der Bundesrat setzt auf eine Vielzahl von kleineren und grösseren Massnahmen.»

Alle Akteure seien in der Pflicht, um das Kostenwachstum im Gesundheitswesen zu dämpfen, so der Gesundheitsminister. «Es ist immer schwierig, Prognosen zu machen. Aber wir schätzen, dass wir mit den Massnahmen rund eine Milliarde einsparen können», so Berset weiter.

Erstberatungsstelle für Patienten

Künftig sollen sich alle Menschen in der Schweiz bei gesundheitlichen Problemen zuerst an eine Erstberatungsstelle wenden, zum Beispiel eine Hausärztin oder einen Hausarzt, eine HMO-Praxis oder ein telemedizinisches Zentrum.

Diese beraten die Patienten, behandeln sie selber oder weisen sie an spezialisierte Ärztinnen und Ärzte weiter. Modelle mit eingeschränkter Wahl der Leistungserbringer wie das Hausarztmodell hätten sich bewährt und seien heute breit akzeptiert, sagte Bundesrat Berset.

Einschränkung der freien Arztwahl?

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Vor rund acht Jahren lehnte das Stimmvolk mit rund drei Viertel Nein-Stimmen die Managed-Care-Vorlage des Bundesrats ab. Diese sah vor, dass sich Patienten, die ihren Arzt frei wählen wollen, stärker an den Kosten beteiligen sollten. Dieses Scheitern erwähnt auch die Expertengruppe, die im Auftrag des Bundesrats verschiedene Massnahmen vorgeschlagen hat.

«Auch diese Experten haben festgestellt, ein genereller Zwang – eine komplette Abschaffung der freien Arztwahl – könne nicht zielführend sein», berichtet SRF-Bundeshauskorrespondent Gaudenz Wacker. «Dieser Punkt dürfte also die Wogen hochgehen lassen.»

Eine Zielvorgabe für die Kosten bezeichnet der Bundesrat als zentrale Massnahme: Bund und Kantone sollen jährlich festlegen, wie stark die Kosten wachsen dürfen, zum Beispiel bei den stationären Spitalbehandlungen, den ambulanten Arztbehandlungen oder den Arzneimitteln.

Die betroffenen Leistungserbringer sollen ihrerseits festlegen, welche Massnahmen ergriffen werden, wenn die Vorgaben überschritten werden. Die Leistungen sollen nicht eingeschränkt werden.

Unnötige Behandlungen vermeiden

Heute fehlten systematische Überlegungen dazu, welches Kostenwachstum in den einzelnen Bereichen angemessen sei, teilt der Bundesrat mit. Die Zielvorgabe erhöhe die Transparenz, stärke die Verantwortung und reduziere medizinisch unnötige Leistungen.

Die Versicherten ihrerseits sollen einen Betrag zur Senkung der Kosten leisten, indem sie sich vor dem Arztbesuch an eine obligatorische Erstberatungsstelle wenden.

Versorgungsqualität und Koordination sollen auch mit Netzwerken zur koordinierten Versorgung verbessert werden. Darin sind Fachleute aus unterschiedlichen Gesundheitsberufen zusammengeschlossen. Davon können insbesondere Patientinnen und Patienten mit mehreren chronischen Krankheiten profitieren. Der Bundesrat will die Voraussetzungen für die Kostenübernahme solcher Patientensteuerungsprogramme regeln.

Das Paket umfasst weitere Massnahmen: Dazu gehören die differenzierte Prüfung der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit von Arzneimitteln, Analysen sowie Mittel- und Gegenständen, die Einführung von fairen Referenztarifen, um den Wettbewerb unter den Spitälern sicherzustellen sowie die Verpflichtung, Rechnungen elektronisch nach einheitlichen Standards zu übermitteln.

Rendez-vous vom 19.08.2020, 12:30 Uhr ; 

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