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Krise bei RTS zieht Kreise RTS-Krise: Umgang mit Belästigungsfällen in Frage gestellt

Die Enthüllungen der Zeitung «Le Temps» waren ein Schock für die RTS. Sie befindet sich in der grössten Krise ihrer Geschichte. Nach wie vor für Diskussionen sorgt vor allem der Fall eines Kaders, der in «Le Temps» «Robert» genannt worden war.

Gegen ihn waren 2014 acht Personen bereit, in einer externen Untersuchung auszusagen, weil sie sich von dem Mann sexuell belästigt oder durch seinen Führungsstil gedemütigt gefühlt hatten. Das zeigen Briefe der Gewerkschaft SSM, die Radio SRF vorliegen. Die RTS ordnete damals eine externe Untersuchung an, aber nur über zwei Jahre zurück – jene Zeit, in der der Beschuldigte in einer Kaderfunktion tätig war. Unter diesen Vorgaben wurde in der Untersuchung keine Belästigung nachgewiesen, da nicht alle Aussagen angehört wurden.

Für Radio SRF hat Kurt Pärli, Professor für Arbeitsrecht an der Universität Basel, die Dokumente angeschaut. «Ich kenne die genauen Motive nicht, warum die RTS nur dieses Zeitfenster von zwei Jahren in die Untersuchung hat einbeziehen wollen. Aber es erscheint mir nicht fachgerecht,» sagt Kurt Pärli.

RTS war gewarnt

Der Kader erhielt von der RTS noch vor der Untersuchung eine Stelle, bei der er keine Untergebenen mehr hatte. Die Gewerkschaft SSM hatte die Untersuchung schon damals kritisiert. Sie warnte davor, die zur Aussage bereiten Personen nicht anzuhören. Wenn sie nicht angehört würden, könnte sich das als «Zeitbombe für das Unternehmensklima» herausstellen, hiess es in einem der Briefe.

In diesem Fall stellt sich die Frage: Wie viel wusste Gilles Marchand, heutiger SRG-Generaldirektor, über diesen Fall «Robert»? In einer Stellungnahme Ende Oktober hatte er gegenüber Radio SRF festgehalten, dass er nichts von den Vorwürfen gegen den Kader gewusst habe. Für ein aktuelles Interview mit Radio SRF stand Gilles Marchand nicht zur Verfügung, mit Verweis auf laufende Untersuchungen zum Fall. Er äusserte sich jedoch in der Sendung «Mise Au Point» des Westschweizer Fernsehens.

Dass Gilles Marchand nicht informiert gewesen sei, das sei nicht möglich, sagt die Westschweizer SSM-Sekretärin Valérie Perrin, welche diese Briefe mitunterzeichnet hatte. «Er erhielt von den meisten Briefen eine Kopie, einer vom 12. November 2014 war sogar direkt an ihn adressiert. Es ist nicht möglich, dass er nichts wusste, es sei denn, er liest seine Post nicht», wie Perrin sagt.

Belästigungsfälle werden neu untersucht

Die RTS hat die Dossiers aus der Vergangenheit nun wieder öffnen lassen, für eine externe Untersuchung. Eine weitere Untersuchung klärt die damaligen Verantwortlichkeiten ab. Diese Untersuchungsergebnisse will auch Jérôme Hayoz, Zentralsekretär der Gewerkschaft SSM, zunächst abwarten. Marchand sei aber ein SRG-Generaldirektor «auf Bewährung», wie Hayoz sagte. Die Untersuchungsergebnisse sollen im Frühling vorliegen.

Rendez-vous, 23.11.2020, 12:30 Uhr

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