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Lockerung in der Erotikbranche Wiedereröffnung ohne Küssen und Schmusen

Es war lange ganz unten auf der Liste der Lockerungsschritte: das Erotikgewerbe. Beratungsstellen kritisierten das scharf und forderten eine schnelle Aufhebung des Berufsverbotes für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter. Sonst würde das Geschäft in die Illegalität abrutschen. Das hätte negative Auswirkungen für die Sexarbeitenden, aber auch für die allgemeine Gesundheitssituation. Die Illegalität führe dazu, dass Sexarbeitende ihre Rechte kaum einfordern und somit auch Schutzmassnahmen nicht umsetzen können, erklärt Christa Ammann von der Fachstelle Sexarbeit Xenia.

Bordell an der Häringstrasse in Zürich (2011)
Legende: Kunden wieder erlaubt: Ab dem 6. Juni sind die Bordelle für Freier wieder offen. Keystone

Klare Schutzkonzepte

Seit dieser Woche ist klar: erotische Dienstleistungen sind ab dem 6. Juni wieder erlaubt – mit Schutzkonzept. Die Hygienemassnahmen seien denjenigen von Coiffeursalons, Massagepraxen oder Tattoostudios ähnlich, sagt Ammann. Einige Anpassungen braucht es aber natürlich. Die Fachstelle Xenia hat zusammen mit Prokore, dem nationalen Zusammenschluss von Beratungsstellen für Sexarbeit, ein Schutzkonzept entwickelt. Ein zweites, inhaltlich ähnliches Konzept stammt aus der Romandie, von der Organisation Demi-Mondaine. Das BAG teilt nur mit, dass eines der beiden Konzepte umgesetzt werden müsse.

Sonst muss der Kunde direkt wieder gehen.
Autor: Lisa Escort

Die Escortdame Lisa ist bereit ihre Arbeit auch mit Einschränkungen wieder aufzunehmen. Nicht nur das Händedesinfizieren gehört zum Pflichtprogramm: Jeder Kunde wird zuerst in die Dusche geschickt. Während der ganzen restlichen Zeit bleibt die Schutzmaske auf. «Sonst muss der Kunde direkt wieder gehen.», macht Lisa klar. Hier geht sie noch weiter als die Schutzkonzepte, die Masken nur in speziellen Situationen empfehlen. Zudem sind Oralverkehr, Küssen und Schmusen für die nächste Zeit gestrichen. Auch auf gewisse Stellungen muss verzichtet werden, so dass die Gesichter immer möglichst weit weg voneinander seien. Die Daten der Kundinnen und Kunden müssen zwei Wochen aufbewahrt werden. So will es die Covid-Verordnung.

Fehlende Unterstützung

Lisa freut sich auf die Wiedereröffnung. Denn die letzten drei Monate haben sie in existentielle Nöte getrieben. «Es war die Hölle. Auf einmal hatte ich keinerlei Einkommen mehr und bis jetzt habe ich keine Unterstützung erhalten.». Jetzt müsse sie erst mal drei Monate Miete und Krankenkasse nachzahlen.

Es war die Hölle. Auf einmal hatte ich keinerlei Einkommen mehr.
Autor: Lisa Escort

Selbständige Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter haben Anspruch auf Corona-Erwerbsersatz. Denn der Staat hat ihr Geschäft geschlossen. Auch Lisa hat Anspruch auf diese Unterstützung. Ihre B-Bewilligung ist aber im April ausgelaufen. Der Antrag auf Erneuerung wurde noch nicht bearbeitet. Daher erhielt sie bis heute noch keine finanzielle Unterstützung.

Ammann von der Beratungsstelle Xenia weist zudem daraufhin, dass anfänglich wohl noch weniger Kundinnen und Kunden kommen werden – auch wegen der Einschränkungen. Daher müsse der Erwerbsersatz noch mindestens bis Ende Juni weiterbezahlt werden. Doch viele fallen auch hier durch alle Netze: Sans-Papiers und EU-Angehörige, die nur 90 Tage hier arbeiten und so keine Bewilligung brauchen, haben keinen Anspruch auf Unterstützung. Für sie fordert Ammann einen Unterstützungsfonds.

Tagesschau, 30.05.2020; 19:30 Uhr

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