Deutlich über zwei Milliarden Franken gibt die Schweiz im Jahr für die Sozialhilfe aus. Kein Wunder sind Modelle gefragt, wie man die Sozialhilfebezüger schnell wieder in den Arbeitsmarkt integrieren kann.
Wer arbeitet, hat mehr Geld
Daniela Roth leitet den Sozialdienst der Stadt Bremgarten. In Tat und Wahrheit hat sie aber oft eine andere Funktion. Statt die Sozialhilfebezüger in irgendwelchen Beschäftigungsprogrammen zu platzieren, vermittelt sie ihre Leute nämlich an die Stadt als Arbeiter.
«Wir haben einen Wald und Umgebung, die man pflegen kann, wofür der Werkhof vielleicht zu wenig Zeit hat. Es ist aber auch eine Investition in die Stadt Bremgarten, denn die Leute erbringen die Arbeitsleistung dort, wo sie auch das Geld beziehen», sagt Roth.
Der grosse Unterschied zu den meisten anderen Projekten: Wenn man einen Lohn bekommt, ist das nicht Sozialhilfe und somit nicht rückerstattungspflichtig. Zugleich gibt es die so genannten Erwerbspauschalen: Wer arbeitet, hat ein höheres Budget als jemand, der nicht arbeitet. Es lohnt sich also auch in diesem Bereich.
Geregelte Strukturen
Mit ihrem Projekt «Lohn anstatt Sozialhilfe» können die Leute also langsam wieder auf eigenen Beinen stehen. So auch Daniela Stutz. Sie war nur kurz in der Sozialhilfe und sehr froh, dass sie für die Stadt arbeiten und so für sich selber sorgen konnte. Der wieder geordnete Tagesablauf gab ihr zusätzlich wertvollen Halt.
In Bremgarten werden die Sozialhilfeempfänger einerseits von der Stadt angestellt. Sie haben anderseits aber auch einen Betreuer, der sie in den normalen Arbeitsmarkt zu vermitteln versucht. Auf eigene Faust schaffte das Stutz nicht, auch wegen ihres Alters.
Erfolgsquote auch von Betroffenen abhängig
Die Unterstützung hilft: Zwei Drittel aller Sozialhilfeempfänger hatten vor fünf Jahren so wieder eine Stelle gefunden. Doch die Quote ist im letzten Jahr gesunken, wie Roth berichtet.
Die Gründe seien vielschichtig. Beispielsweise gebe es nicht mehr so viele Hilfsarbeiterstellen. Gleichzeitig kämen immer mehr Menschen mit schlechten bis gar keinen Deutschkenntnissen und oft ohne Ausbildung. Ausserdem verfügten sie oft nur über eine Bewilligung, die für einen Arbeitgebergeber Mehrarbeit bedeuten würde. Die Arbeitssuche sei damit schwieriger, was die Erfolgsquote von zurzeit 34 Prozent illustriere.
Das ist aber immer noch besser, als wenn eine Gemeinde gar nichts tut. Die linken Parteien in Bremgarten freut es, dass man die Sozialhilfeempfänger nicht einfach alleine lässt. Die Bürgerlichen freut es, dass so am Schluss Geld gespart wird. Ein mehrheitsfähiges System also.
Mehraufwand in vielen Bereichen
Aber es bedeutet auch sehr viel Arbeit für alle Abteilungen. Nicht nur für den Sozialdienst, der als Temporär-Büro fungiert: «Die Finanzverwaltung muss mehr Löhne abrechnen. Auch die Einsatzorte haben einen Mehraufwand, der nicht zu unterschätzen ist», sagt Roth.
Die Sozialhilfebezüger wissen das offenbar zu schätzen. Das Klischee vom faulen Sozialhilfeempfänger, der nicht arbeiten will, hat man in Bremgarten nie angetroffen. Auch wenn der Sozialdienst dies könnte: In den vergangenen 15 Jahren musste nie jemand zur Arbeit gezwungen werden.
Das sagt Dorothee Guggisberg, Geschäftsführerin bei der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe Skos:
«Der Bremgartner Weg ist sehr erfreulich: Die Stadt stellt Personen in einem ganz normalen Arbeitsververhältnis an. Sozialhilfebeziehende erhalten so eine Stelle, auch wenn sie befristet ist. Ausserdem ist es eine Arbeit, die verrichtet werden muss und eine Gegenleistung für das Gemeinwesen darstellt. Es ist eine Win-Win-Win-Situation: Die Sozialhilfebeziehenden sind nicht rückerstattungspflichtig, sie leisten etwas Sinnvolles und sie qualifizieren sich für den ersten Arbeitsmarkt. Allerdings dürfen die Arbeitseinsätze nicht das lokale Gewerbe konkurrenzieren.» |