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Massnahmen des Bundesrates Appell an ein neues Miteinander – trotz «social distancing»

Wenn vier Bundesratsmitglieder gleichzeitig auftreten, sendet die Landesregierung damit auch ein Zeichen an die Bevölkerung: Es geht um viel. Jetzt heisst es Zusammenstehen.

Nötige Hilfe sicherstellen

Und tatsächlich geht es um nichts weniger, als vermeidbare Todesfälle zu verhindern. So oder so wird die Krankheit noch weitere Todesopfer fordern. Aber die rund 15 Prozent der Erkrankten, welche nur überleben können, falls sie im Spital die nötige Hilfe bekommen, sollen diese Hilfe auch wirklich bekommen. Und nicht von überfüllten Spitälern abgewiesen werden, weil eine explosionsartige Ausbreitung zu viele Menschen gleichzeitig schwer hat erkranken lassen.

Darum ist es so wichtig, die Ausbreitung des Virus zu verzögern. Und darum hat der Bundesrat Massnahmen ergriffen, die historisch sein dürften. Doch sie können nur greifen, wenn die Bevölkerung sie nachvollziehen kann und die Anweisungen befolgt. Es war auffällig, wie sich in den letzten Tagen sozusagen Puzzlestück um Puzzlestück zu einem Bild zusammengefügt hat.

Der Kanton Tessin rief den Notstand aus. Zuerst schloss er die überobligatorischen Schulen, dann auch die obligatorischen. Parallel dazu sagte der oberste Fachmann des Bundes, Daniel Koch, weitere Kantone würden wohl mit schärferen Massnahmen folgen.

Panik vermeiden

Gleichzeitig sickerte durch, der Bundesrat prüfe ein verschärftes Veranstaltungsverbot. Kurz vor der Medienkonferenz heute gaben schliesslich drei Kantone bekannt, ihre Schulen zu schliessen. Als dies dann der Bundesrat für die ganze Schweiz verordnete und Anlässe ab 100 Personen verbot, war dies keine riesige Überraschung mehr.

Die Aufmerksamkeit richtete sich dafür auf etwas wirklich Neues: 10 Milliarden Franken Soforthilfe für die Wirtschaft. Auf etwas Positives also.

Der Eindruck drängt sich auf, dass die Bevölkerung so auf die sehr einschneidenden Massnahmen vorbereitet werden sollte. Das Ziel: keine Panik. Sondern solidarisches Mittragen. Die Massnahmen nützen nur, wenn die Bevölkerung sich daran hält und den Appellen folgt.

Kantone sind in der Pflicht

Dem Appell zum Beispiel, die Kinder, die nun nicht mehr zur Schule dürfen, nicht den Grosseltern zu überlassen. Weil der Generationenmix für diese tödlich ausgehen kann. Der Bundesrat setzt damit Empfehlungen einer fast noch druckfrischen europäischen Studie um.

Aber auch die Kantone sind gefordert: Der Bundesrat bittet sie eindringlich, Betreuungsangebote bereit zu stellen für Kinder, deren Eltern arbeiten müssen. Der Vorteil verglichen mit dem Schulbetrieb: Weniger Kinder kommen zusammen. Und statt im Schulzimmer können sie auch in Umgebungen betreut werden, wo sie nicht so dicht zusammengepfercht sind – was die Gefahr von Ansteckungen mindert.

Hier wäre aber auch viel Raum für private Initiativen, so wie es sie zum Beispiel in Basel bereits gibt: Wer kann, bietet auf einer Plattform seine Hilfe an. Beispielsweise für Kinderbetreuung. Oder Einkaufen für über 65-Jährige. Oder oder oder. Die Plattform verzeichnete mehr Hilfsangebote als Hilfesuchende.

Das macht Hoffnung in einem Moment, wo sehr viele Fragen offen und die Herausforderungen gross sind. Ob die Massnahmen zu streng, zu lasch oder gerade richtig waren, wird man erst später beurteilen können. Wenn trotz «social distancing» ein neues Miteinander entstehen könnte, hätten wir als Gesellschaft immerhin etwas gewonnen.

Nathalie Christen

Bundeshausredaktorin

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Christen ist Korrespondentin im Bundeshaus für Fernsehen SRF. Sie arbeitet seit 2002 für SRF. Unter anderem leitete sie die Bundeshausredaktion von Radio SRF und war Produzentin bei der «Arena». Zuvor war sie Bundeshausredaktorin beim «SonntagsBlick».

Hier finden Sie weitere Artikel von Nathalie Christen und Informationen zu ihrer Person.

Tagesschau, 13.03.2020, 19.30 Uhr

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