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Meldestellen für Whistleblower In der Schweiz besteht Nachholbedarf

Eine Studie zeigt: Es lohnt sich für Firmen, Whistleblower ernst zunehmen. Es gibt aber noch zu wenig Meldestellen.

Whistleblower haben in der Schweiz einen schweren Stand: Rechtlich sind sie nicht geschützt. Umso wichtiger sind firmeninterne Meldestellen, an die sich Whistleblower anonym wenden können. Das zeigt ein internationaler Whistleblowing-Report.

Gemäss dem Bericht waren 40 Prozent der befragten Firmen im vergangenen Jahr von Missständen betroffen. Häufig wurden diese Vorfälle bei der internen Meldestelle gemeldet.

«Mit dem Kopf durch die Wand»

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Alexander Marx informierte 2014 die Öffentlichkeit über die Machenschaften seines damaligen Arbeitgebers und deckte so den Bündner Fleischskandal auf. Carna Grischa hatte Verfallsdaten gefälscht, Pferdefleisch als Rindfleisch deklariert, ausländisches als Schweizer Fleisch. Das brauchte Mut: Marx verlor seine Stelle, geriet unter Druck.

Aber als Held fühle er sich deswegen nicht. «Ich hoffe, dass die Leute mich positiv sehen und meine Geschichte etwas bewirkt. Es hat viel Kraft und viel Energie gekostet. Ich würde mich freuen, wenn die anderen das anerkennen.» Er habe sich an die Öffentlichkeit gewandt, nachdem eine erste Meldung an die Behörden nichts gebracht hatte. «Ich wollte der Carna Grischa zuvorkommen. Ich hatte Angst, dass die ganze Geschichte unter den Teppich gekehrt wird.» Er habe sich daraufhin mit einem Anwalt beraten.

«Er hat mich gewarnt, es nicht zu tun. Natürlich habe ich es mir gut überlegt. Aber schliesslich war das dann eine emotionale Entscheidung – einfach mit dem Kopf durch die Wand.» Dass er gegen die Empfehlungen anderer handelte, habe mit seiner Wut zu tun gehabt. «Und vielleicht mit einer inneren Stimme, die sagte, dass man gegen Ungerechtigkeit vorgehen soll und muss. Ganz egal, ob ich Angst habe oder nicht. Diese Stimme war stärker.»

Die Firma gibt es seit 2015 nicht mehr. 27 Arbeitsplätze gingen verloren. Ihm seien deswegen auch Vorwürfe gemacht worden. «Aber ich finde, dass jeder für sein Tun verantwortlich ist. Jeder muss für sich selber schauen.»

Es lohne sich für die Unternehmen, eine solche interne Meldestelle zu haben, sagt Moritz Homann von der Firma EQS: «Es ist definitiv ein gutes Instrument, gerade weil man sieht, dass es langfristig zum Fortbestand der Unternehmen und Organisationen beiträgt.»

Schweiz hat schon relativ viele Meldestellen

Homanns Firma aus München hat zusammen mit der Hochschule Chur 1400 Firmen in vier Ländern befragt, wie diese mit Whistleblowern umgehen.

Im internationalen Vergleich mit Deutschland, Frankreich und Grossbritannien stünden die Schweizer Firmen gut da: «Die Ergebnisse zeigen, dass 65 Prozent der Unternehmen, die in der Studie untersucht wurden, schon interne Meldestellen eingerichtet haben.» Damit stünden die Schweiz und Grossbritannien vor Frankreich und Deutschland. «Dort sind es erst 55 Prozent.»

Kleine Firmen haben weniger oft Meldestellen

Untersucht wurden einerseits kleinere Firmen ab 20 Mitarbeitern und andererseits grosse Firmen mit mindestens 250 Mitarbeitern. Laut Homann stehen grosse Firmen besser da als kleinere: «Generell sieht man auch bei der Verbreitung der Meldestellen, dass in Grossunternehmen die interne Meldestelle schon fast zum Standard gehört, bei kleineren Unternehmen sind sie noch nicht so verbreitet.»

Whistleblower gehen oft ein beträchtliches persönliches Risiko ein, wenn sie einen Missstand in ihrer Firma melden. Häufig werden sie danach bestraft oder gar entlassen. Die Empfehlung der Studie ist es deshalb, dass Whistleblower die Möglichkeit haben sollten, ihre Meldung anonym abzugeben.

Schweiz hat noch kein Gesetz zum Schutz

Auch rechtlich sollten sie noch besser geschützt werden, sagt Homann: «In der Schweiz sieht es derzeit nicht danach aus, als würde in naher Zukunft ein Schutzgesetz für Whistleblower erlassen werden. Da besteht Nachholbedarf. Die Sicherheit für Whistleblower in der Schweiz ist sehr gering.»

Die Studie zeigt weiter, dass bei den Meldestellen nur sehr wenige Hinweise eingehen, um jemanden anzuschwärzen. Dass sie kaum missbraucht würden, sei ein weiteres Argument für solche Meldestellen, so die Studie.

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