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Methoden der Steuerbehörde Zürcher Finanzdirektor findet Stasi-Vergleich «völlig daneben»

Der Kanton Zürich durchleuchtet Personen, die mutmasslich ihren Wohnsitz nach Graubünden verlegen, um Steuern zu sparen.

Ein Beispiel: Jemand wohnt in der Stadt Zürich und besitzt zudem eine Zweitwohnung in den Bündner Bergen. Steuerlich kann es für diese Person interessant sein, ihren Wohnsitz nach Graubünden zu verlegen, weil die Steuern dort tiefer sind – und die Person so weniger Steuern zahlen muss.

Überdies ist in Zeiten von Homeoffice und Remote-Arbeitsplätzen nicht immer klar, ob bei jemandem der Lebensmittelpunkt gleichzeitig auch der Ort ist, wo Steuern gezahlt werden.

Sensible Daten als Belege eingefordert

Zuletzt sorgte ein NZZ-Artikel für Aufsehen: Anhand verschiedener Beispiele wurde aufgezeigt, wie die Steuerbehörden des Kantons Zürich mittels Handydaten oder Krankenkassen aufspüren, wo jemand den Lebensmittelpunkt hat.

Die Behörden fordern teils sensible Unterlagen ein, zum Beispiel Fotos der eigenen Wohnung oder eine Liste mit Kontakten, mit denen jemand regelmässig verkehrt. Wer die Unterlagen nicht liefert, werde gebüsst, schreibt die NZZ. In einem Kommentar der Zeitung ist die Rede von «Steuer-Stasi». Ein Vergleich mit dem Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR, welcher die Bevölkerung im grossen Stil überwachte.

Älterer Mann in Anzug spricht gestikulierend, Glas Wasser im Vordergrund.
Legende: Der Zürcher Finanzdirektor Ernst Stocker erklärte sich am Donnerstag vor den Medien zu den Abklärungen punkto Wohnsitz. Keystone / Claudio Thoma

Den Vorwurf der Schnüffelei will die Zürcher Kantonsregierung nicht auf sich sitzen lassen. Alles sei angemessen und legal.

«Den Stasi-Begriff halte ich für völlig daneben», sagt Ernst Stocker, der Zürcher Finanzdirektor. «Von einer Million Steuerpflichtigen werden von rund 300 Leuten Daten gesammelt. Diese sind unter höchstem Verschluss und werden nachher nach Archivgesetz vernichtet.» Wer dies mit der Stasi vergleiche, wisse nicht, was die Stasi war.

Es ist verlockend, sich diese Frage zu stellen.
Autor: Ernst Stocker Finanzdirektor Kanton Zürich

Man schaue heute nicht genauer hin als früher, so Stocker weiter. «Durch den massiven Steuerwettbewerb und die grossen Differenzen gab es eine Verschärfung.»

«Die Entwicklung geht dahin, dass mehr Leute Kapital beziehen als Renten», sagt Stocker. Der Kapitalbezug kostet in Graubünden weniger als in Zürich. Und: Laut Stocker gehören drei Viertel der Ferienwohnungen in Graubünden Zürcherinnen und Zürchern. «Es ist verlockend, sich die Frage nach der Wohnsitzverlegung zu stellen, wenn man die Hälfte oder noch weniger an Kapitalbezugssteuer zahlen muss.»

Anzahl Zuzüger aus Zürich nimmt zu

Der Kanton Graubünden sei ein Kanton mit vielen Zuzügern, heisst es bei der dortigen Steuerverwaltung. Man habe Kenntnis von der konsequenten Suche nach mutmasslichen Steuervermeidern – auch aus dem Kanton Zürich.

Alpenchalets mit schneebedeckten Bergen im Hintergrund.
Legende: Der Kanton Graubünden hat einen hohen Zweitwohnungsanteil. Nicht immer ist klar ersichtlich, wo Besitzerinnen und Besitzer ihren Lebensmittelpunkt haben. Keystone / Arno Balzarini

Toni Hess, Leiter des Rechtsdiensts der Bündner Steuerverwaltung, sagt, seit der Coronapandemie hätte die Zahl an Zuzügern aus Zürich nach Graubünden stark zugenommen: «Wir haben fast jede Woche einen neuen Fall.» Und: Es sei für die Behörden tatsächlich schwieriger geworden, den Lebensmittelpunkt einer Person zu evaluieren.

Bei strittigen Fällen wird geteilt

«Während Corona haben viele während einer längeren Zeit im Kanton Graubünden im Homeoffice gearbeitet. Diese Situation wurde nach der Pandemie fortgeführt», sagt Hess weiter. Er habe Verständnis für das genauere Hinschauen der Zürcher Kolleginnen und Kollegen.

In strittigen oder unklaren Fällen suche man immer nach einer vernünftigen Lösung. Toni Hess von der Bündner Steuerverwaltung sagt: «Diese kann durchaus darin bestehen, dass ein alternierender Wohnsitz vorliegt. Das heisst: Wir teilen den Kuchen zwischen Zürich und Graubünden.»

Regionaljournal Graubünden, 12.11.2025, 17:30 Uhr ; 

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