Alle für einen, einer für alle. Wenn es ein Motto gibt, das die Schweiz ausmacht, dann ist es dieses – zumindest für Noémie Roten, Ko-Präsidentin des Vereins «Service Citoyen» . Der Verein arbeitet an einer Volksinitiative für einen «Bürgerdienst», eine Dienstpflicht für alle, die sich nicht auf die Armee beschränkt.
«Wir sehen die Schweiz als Eidgenossenschaft von Bürgern, wo sich jeder für seine Gemeinschaft engagiert. Wir sind der Staat», sagt die 30-Jährige. «Unser Politsystem, ja das ganze Erfolgsmodell Schweiz lebt vom Engagement der Bürger im Staat», so Roten. Doch habe dieses Engagement in den letzten Jahrzehnten immer mehr abgenommen. «Ein Bürgerdienst würde den Miliz-Geist neu beleben.»
Neuer Schwung für alte Idee
Die Idee eines Bürgerdiensts für alle ist nicht neu, doch wurden verschiedene parlamentarische Vorstösse dazu stets mit dem Verweis auf den sogenannten Loepfe-Bericht abgelehnt. Dieser Bericht, den der Bundesrat 2014 in Auftrag gegeben hatte, um das Dienstpflichtsystem zu untersuchen, erschien 2016 .
Nun erlebt die Idee des Bürgerdiensts neuen Aufschwung. Hinter ihrem «Service Citoyen» stünden aber keine Armeegegner, betont Noémie Roten, schliesslich habe sie selber den Militärdienst absolviert. «In der RS war ich Lastwagenfahrerin», erzählt die Ökonomin.
Roten, die in Genf und Zürich lebt, hat zusammen mit ihren Mitstreitern inzwischen 18 Initianten aus der West- und Deutschschweiz um sich geschart, viele von ihnen politisch aktiv, bürgerlich bis links gerichtet. Den Verein «Service Citoyen» gibt es bereits seit 2013, er hat rund 60 Mitglieder.
Feuerwehrdienst oder Gemeinderats-Amt
Nun will die Truppe das Miliz-System mit einer Volksinitiative grundsätzlich umkrempeln. Die bisherige Dreiteilung in Militärdienst, Zivildienst und Zivilschutz will sie aufbrechen – und um weitere «Dienstbereiche» erweitern. So sollen auch Einsätze bei der freiwilligen Feuerwehr oder gar ein politisches Amt in einer Gemeinde als Bürgerdienst gelten können.
«Jede zweite Gemeinde hat Mühe, politisches Personal zu finden», so Roten. «Immer weniger Leute sind bereit, solche Ämter zu übernehmen.» Ein Bürgerdienst für alle würde dieser «Individualisierungs-Tendenz» entgegenwirken.
Verschärfung des Personalmangels in der Armee?
Doch ist Zwang der richtige Weg, um den Miliz-Geist wiederzubeleben? Wie lässt sich eine so umfassende Initiative umsetzen? Droht mit der Ausweitung der Dienstbereiche nicht erst recht ein Personalmangel in der Armee? Die Initiative wirft auch viele kritische Fragen auf.
Noémie Roten gibt sich gelassen. «Durch den Bürgerdienst auch für Frauen würde der Rekrutierungspool der Armee verdoppelt.» Die Armee sei genug attraktiv. Und ansonsten könne der Bund immer noch Anreize schaffen, damit der Armeedienst sich mehr oder schneller lohne.
Ohnehin, aus ihrer Sicht überwögen die Chancen, so Roten. Etwa die Chance, auf mehr Zusammenhalt in der Gesellschaft. «Ich freue mich auf die Diskussionen.» Nächstes Jahr soll die Initiative lanciert werden.