Zum Inhalt springen

Missbrauch in Kitas verhindern «Nicht allein wickeln, kein Kind auf den Mund küssen»

Der Fall erschüttert die Schweiz: Ein 33-jähriger Mitarbeiter einer St. Galler Kinderkrippe soll zwei Buben sexuell missbraucht haben.

Die Staatsanwaltschaft St. Gallen bestätigt, dass auf verschiedenen Datenträgern Material gefunden wurde, welches darauf schliessen lässt, dass zwei Knaben der betroffenen Kita in St. Gallen sexuell missbraucht wurden. Der Mitarbeiter habe Videos davon im Darknet verbreitet. Beide Opfer sind unter zwei Jahre jung. Die betroffenen Eltern wurden von der Kita bereits informiert.

Wie war es möglich, dass sich ein Mitarbeiter einer Kindertagesstätte an Kindern vergeht – und wie lassen sich solche Fälle verhindern? Nadine Hoch, Leiterin der Kibesuisse, nimmt jetzt dazu Stellung.

Nadine Hoch

Leiterin Kibesuisse

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Nadine Hoch ist Leiterin des Verbandes Kinderbetreuung Schweiz.

SRF News, Nadine Hoch: Wie reagieren Sie auf den aktuellen Fall?

Nadine Hoch: Mit Ohnmacht und Traurigkeit. Schon wieder – es macht mich auch wütend, dass man das einfach nicht verhindern kann.

Sie sind der Ansicht, Ihr Verband ist machtlos?

Es wurden noch nie so viele Vorsichtsmassnahmen getroffen. Als Prävention haben wir Leitlinien mit einem Verhaltenskodex in Kindertagesstätten erstellt.

Es wird ein Strafregisterauszug verlangt, Referenzen werden kontaktiert.

Kandidaten für die Ausbildung zur Fachfrau/Fachmann Kinderbetreuung werden heute so gut es geht durchleuchtet: Es wird ein Strafregisterauszug verlangt, Referenzen werden kontaktiert. Es geht auch um Regeln in Tagesstätten, zum Beispiel: Nicht allein wickeln, kein Kind auf den Mund küssen. Es gibt heute auch eine Meldepflicht. Wenn Arbeitskollegen bei anderen etwas Auffälliges beobachten, sind sie verpflichtet, dies zu melden. Ganz verhindern wird man solche Fälle nie können.

Warum ist es schwierig, Richtlinien und Regeln durchzusetzen?

Das sind einfach unsere Empfehlungen, wir sind ein Branchenverband. Die Aufsicht und Bewilligung von Kindertagesstätten liegt in der Hoheit der Kantone, dummerweise in einigen Kantone sogar bei den Gemeinden. Uns wäre es ein grosses Anliegen, dass die Aufsicht immer bei den Kantonen liegt, die dann selber Bestimmungen herausgeben könnten.

Kibesuisse

Box aufklappen Box zuklappen

Kibesuisse entstand 2013 aus der Fusion vom Verband «Kindertagesstätten Schweiz» (KitaS) und «Tagesfamilien Schweiz» (SVT).

Der Verband fördert als Kompetenzzentrum familien- und schulergänzende Kinderbetreuung in der Schweiz und setzt sich für hohe Qualitätsstandards ein. So engagiert sich Kibesuisse beispielsweise für gute Rahmenbedingungen und Weiterbildungen für Kinderbetreuende.

Unter anderem liefert der Verband den Kitas einen Leitfaden zur Prävention von Gewaltausbrüchen jeglicher Art. Für die Umsetzung dieses Leitfadens sind die Kitas jedoch grösstenteils selbst verantwortlich.

Ist Kindermissbrauch in Kitas eine reine Männerproblematik?

Nein, das betrifft beide Geschlechter. Es gibt jegliche Formen von Gewalt, zu denen sowohl Männer wie auch Frauen fähig sind.

Das Interview führte Michael Perricone

Meistgelesene Artikel