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Schweiz Mit verkohlter Lunge gegen die Raucherlust

Die EU-Parlamentarier wollen Raucher erschüttern: Sie beschlossen heute, Zigarettenverpackungen mit Schockbildern zu versehen. Zudem sollen Warnhinweise den Grossteil des «Zigipäcklis» einnehmen. Medien- und Werbeforscher hierzulande stellen die Wirksamkeit in Frage.

Schwarze, verfaulte Zähne und eine von Krebs verwucherte Lunge: Beim Griff in die Zigarettenschachteln werden EU-Bürger künftig mit Schockbildern konfrontiert. Das EU-Parlament stimmte in Strassburg für strengere Bestimmungen. Ziel: Den Rauchern das Verlangen nach den Glimmstängeln vermiesen. Besonders Jugendliche sollen damit geschützt werden, damit sie erst gar nicht mit dem Rauchen beginnen.

«Rauchen ist tödlich» – dieser Hinweis wird zudem bald 65 Prozent der Vorder- und Rückseiten der Packungen ausmachen. Aktuell sind es 30 Prozent auf der Vorderseite und 40 Prozent auf der Rückseite. Auch dies haben die Politiker beschlossen. Nun verhandeln sie mit den Regierungen, um sich über Einzelheiten zu einigen. Die Chancen stehen gut, dass der Gesetzestext noch in der laufenden Legislaturperiode verabschiedet wird. Die Verschärfung fand grosse Zustimmung im Parlament.

Was sagen Schweizer Werbe- und Medienforscher zu Schockbildern und Warnhinweisen auf «Zigipäckli»? «Studien zeigen, dass hier noch am ehesten eine substanzielle Wirkung zu erwarten ist», sagt Andreas Fahr, Dozent an der Uni Freiburg, unter anderem für Medienwirkungen der Medienpsychologie und der Forschung zur Werbung.

Michael Schenk, ausserordentlicher Professor für Medien- und Kommunikationswissenschaft, sagt zur Brüsseler Massnahme: «Raucher durch die Bilder zum Aufgeben des Rauchens zu bringen, ist ziemlich chancenlos, denn intensives Rauchen ist meist bereits habituelles Verhalten. Oft steht schon eine Sucht dahinter», sagt er. Im Übrigen gelte die Selektionsregel: Raucher würden versuchen, die Bilder selektiv zu vermeiden oder umzuinterpretieren. Dies sei durch experimentelle Untersuchungen belegt.

Schenk ist überzeugt, dass es bei der Massnahme darum geht, Angst zu erzeugen. Die Bilder seien in ihrem Appell total überzogen, wodurch gar das Gegenteil eintreffen könnte: «Es können sogar Bumerang-Effekte entstehen», sagt er.

Der Reiz des Risikos

Ähnlich sieht es Michael Schanne, emeritierter Mediensoziologe an der Fachhochschule für Angewandte Linguistik in Winterthur: «Hässliche Bilder geben Informationen über die soziale Umwelt ab», sagt er. Diese Umwelt werde immer mal wieder wahrgenommen, gehe nach der Gewöhnung jedoch als Kommunikations-Rauschen wieder vorbei. «Ich denke, von grösserer Bedeutung ist, dass der örtliche und der finanzielle Zugang zu den Zigaretten erschwert wird».

Und wie sieht es bei den jungen Rauchern aus? Wie gut lassen sie sich mittels Bildern kaputter Lungen und Zähne davon überzeugen, dem Glimmstängel abzuschwören? «Vor allem für junge Raucher können die Bilder sogar ein Anreiz sein, etwas zu riskieren und sichtbar zu rauchen», erwidert Schenk. Allenfalls überzeugte Nichtraucher dürften sich durch die Bilder beeindrucken lassen, so dass sie gar nicht erst zu den Glimmstängeln greifen, was ja schon etwas brächte.

Bilder verlieren Wirkung

Geteilter Meinung sind auch Michael Schanne sowie Andreas Fahr. Effektiver seien meist Kampagnen, die – wenn überhaupt – moderate Furcht-Appelle verwendeten, sagt Fahr. Michael Schanne von der ZHAW ist zwar davon überzeugt, dass hässliche Bilder die Jugendlichen abschrecken könnten. «Aber: Die Schachtel ist schon gekauft. Jugendliche, die knappstes Geld für die Zigaretten ausgegeben haben, werden sie deswegen nicht wegwerfen», sagt er.

Fahr hält abschliessend fest, dass die Forschung über die bildliche Darstellung nicht eindeutig beziehungsweise die Befunde nicht konsistent seien. «Extreme Abbildungen können unter Umständen auch dazu führen, dass die Effekte auf die eigene Person negiert, ausgeblendet oder umgedeutet werden. Und Schanne fügt hinzu: Auf Dauer würden die Bilder nur noch als begleitende Schachtel, aber nicht mehr in ihrem Inhalt wahrgenommen.

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