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Neuer Chef der Armee Viola Amherd nutzt die Chance der Miliz-Armee

Der erste wirklich eigenständige Entscheid der neuen VBS-Chefin ist ein Ausrufezeichen: Viola Amherd setzt mit Divisionär Thomas Süssli einen Offizier an die Spitze der Schweizer Armee, der weder nach Pulverdampf und Kanonenrauch riecht, noch ein Berufsleben lang Kampfjetkerosin eingeatmet hat. Konsequent folgt sie ihrem Fokus auf die Bedrohung aus dem Cyber-Raum und macht den obersten Spezialisten in diesem Bereich zum Chef der Armee.

Kein kompletter Kulturwandel

Eine unkonventionelle Entscheidung: Divisionär Süssli entstammt militärisch den Sanitätstruppen und legte zivil eine internationale Karriere im Bankensektor hin. Zwischendurch baute er sogar ein eigenes Unternehmen auf. Süssli ist also ein Quereinsteiger: Erst seit der Beförderung zum Brigadier 2015 trägt er das Abzeichen der Berufsoffiziere auf dem Tarnanzug. Eine «Herzensentscheidung», fügte Süssli an, und baute damit gleich die Brücke zum Instruktionskorps, das die Miliz ausbildet.

Eine Überraschung, aber kein kompletter Kulturwandel oder gar Bruch mit der Vergangenheit: Viola Amherd nutzt mit der Ernennung von Divisionär Süssli die Chance der Milizarmee, die in ihrem Mittelbau eben nicht von Berufsoffizieren, sondern von dienstpflichtigen Bürgern in Uniform geführt wird. Sie sind das militärische Kernholz der Schweizer Armee. Als neuer Chef trägt Süssli diesen Spirit jetzt nach ganz oben.

Fokus Gesamtsystem

Viola Amherd hat ihre Wahl auch damit begründet, dass der designierte Chef der Armee in der Vergangenheit mehrere komplexe Grossprojekte erfolgreich gemeistert habe – und wohl auch in der Privatwirtschaft das eine oder andere Mal gescheitert ist, möchte man anfügen. Genau diese Verbindung zwischen militärischer Führungsausbildung und ziviler Erfahrung soll Divisionär Süssli nun einbringen, um den permanenten Wandel der Armee zu managen.

Denn das Gesamtsystem Armee hat gerade die dritte Grossreform der letzten 25 Jahre hinter sich und steht mit den Beschaffungsprojekten in der Luft und am Boden wieder vor einer grundlegenden Erneuerung. Die heutige Armee hat ihre Kernkompetenz, die robuste Verteidigung, auf ein Minimum reduziert und kämpft in kritischen Bereichen mit Fähigkeitslücken.

Entideologisierung der Sicherheitspolitik

Die militärischen Kader und die Mitarbeitenden der Verwaltung auf ein gemeinsames Ziel auszurichten, einen klaren, inhaltlichen Fokus zu setzen, dürfte also eine der grössten Herausforderungen des neuen Chefs sein. Vielleicht gelingt es einem CdA, der weder romantische Gefühle für Panzerketten noch heulende Triebwerke hegt, die Reihen intern zu schliessen.

Insgesamt dürfte sich Viola Amherd auch erhoffen, dass sie Thomas Süssli dabei unterstützen wird, die schweizerische Sicherheitspolitik zu entkrampfen und den Fängen ideologischer Reflexe der Vergangenheit zu entziehen: Die VBS-Chefin setzt auf einen Armeechef, der Politik und Bevölkerung die Verteidigung im Gesamtrahmen erklären soll – jenseits von rechter und linker Erinnerungskultur an den Kalten Krieg.

Georg Häsler

Militärexperte und Oberst im Heeresstab der Armee

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Georg Häsler ist Militärexperte und arbeitet bei der «Neuen Zürcher Zeitung». Er studierte klassische Philologie. Im Heeresstab der Schweizer Armee ist er Oberst.

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