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Neuer Pferdefleisch-Skandal Quäl-Fleisch aus Südamerika auch in der Schweiz

Das Wichtigste in Kürze:

  • Bereits 2013 berichtete «Kassensturz» über schwere Tierquälereien auf kanadischen und mexikanischen Pferde-Schlachthöfen.
  • Nun zeigen aktuelle Recherchen des Tierschutzbundes Zürich: Auch auf Schlachthöfen in Argentinien und Uruguay herrschen ähnliche oder gar schlimmere Zustände.
  • Solches Quäl-Fleisch wird auch in die Schweiz importiert, vorwiegend von Fleischhändlern, Restaurants und Metzgereien. Verbieten kann das zuständige Bundesamt den Import nicht, da dieser den Bestimmungen der EU unterliegt.
  • Der Verband der Schweizer Pferdefleischimporteure zeigt sich über die Bilder überrascht. Die gezeigten Schlachthöfe würden von einer Zertifizierungsstelle kontrolliert. Man wolle nun abklären, wie es zu den gezeigten Missständen kommen konnte.

Mehrmals jährlich besucht Sabrina Gurtner vom Tierschutzbund Zürich Pferdefarmen in Südamerika. Ihre Beobachtungen dokumentiert sie mit verdeckter Kamera. Auch «Kassensturz» zeigte 2013 ihre schockierenden Bilder von halbtoten Pferden, die in unhaltbaren Zuständen leben. Bitter: Auch heute noch filmt die Tierschützerin dieselben Verstösse. Gebessert hat sich nichts. «Im Gegenteil», sagt Sabrina Gurtner, «die Situation in Argentinien und Uruguay hat sich sogar noch verschlimmert. Noch nie haben wir so viele verletzte und leidende Pferde gesehen.

Totes Pferd liegt auf einer Koppel.
Legende: Grausam: Kranke Tiere werden ihrem Schicksal überlassen, bis sie elendiglich sterben. SRF

Unhaltbare Zustände trotz EU-Zerzifizierung

Zum Beispiel auf dem argentinischen Schlachthof Lamar. Dieser ist EU-zertifiziert. Das heisst, die EU kontrolliert alle zwei bis vier Jahre, ob Lebensmittel- und Seuchensicherheit gewährleistet sind. Zudem sollten die Pferde vor Witterung und Leiden auf dem Schlachthof geschützt werden. Doch das scheint oft nicht der Fall zu sein. Aktuelle Videoaufnahmen zeigen Tiere, die extreme Schmerzen aushalten müssen, viele Pferde, die lahmen und unter Verletzungen leiden. Einem Hengst wurde ein Draht durch den Mund gezogen, damit er andere nicht beisst. Fressen ist unmöglich. «Und das sind keine Einzelfälle», betont Sabrina Gurtner. Bei jeder Kontrolle sehe sie solche schrecklichen Bilder.

In der Schweiz wären solche Zustände inakzeptabel, sagt Kaspar Jörger vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen. «Hierzulande darf es keine schwer verletzten Pferde geben, die tagelang unbehandelt auf das Schlachten warten müssen», erklärt er. Verletzte oder kranke Tiere müssten sofort behandelt oder notgeschlachtet werden. «Sollte so etwas dennoch vorkommen, müssten die Behörden einschreiten und eine Strafanzeige einreichen.»

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Pferdefleischimport steigt wieder an

Die Grossverteiler haben nach der Berichterstattung des «Kassensturz» von 2013 reagiert und Pferdefleisch aus Übersee aus den Regalen genommen. Sie beziehen ihr Pferdefleisch jetzt aus der EU.

Trotzdem landet nach wie vor südamerikanisches Rossfleisch in der Schweiz. Der Import von Pferdefleisch hat in den letzten zwei Jahren sogar wieder stark zugenommen. Da die Schweiz nur Edelstücke nachfragt, entspricht die importierte Menge von 632'000 Kilogramm im letzten Jahr rund 18’000 geschlachteten Pferden. Bezüger sind Fleischhändler, Metzgereien und Restaurants. Sie schreiben auf Anfrage: «Tierschutz ist unseren Kunden wichtig». Und: «Wir verlassen uns auf die Zertifizierung durch den Verband Schweizer Pferdefleischimporteure.»

Neben Lamar in Argentinien hat der Verband der Schweizer Pferdefleischimporteure auch die Schlachthöfe Sarel und Clay in Uruguay zertifizieren lassen. Doch auch auf diesen Schlachthöfen kümmere das Leiden der Tiere vor der Schlachtung niemanden, kritisiert der Tierschutzbund Zürich.

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Importeure: «Wir werden sofort handeln»

«Kassensturz» zeigt die Videoaufnahmen Josef Pittino vom Verband der Schweizer Pferdefleischimporteure. «Das ist inakzeptabel, darüber muss man nicht reden. Wir werden intensiv nachkontrollieren und sofort handeln», verspricht Pittino. Es sei schade, dass man den Verband nicht sofort informiert habe, damit dieser umgehend hätte reagieren können. Der Tierschutzbund Zürich entgegnet, er habe schon mehrfach das Gespräch mit dem Importverband gesucht.

Allerdings kann die Schweiz den Import von Pferdefleisch nicht einfach verbieten. Sie übernimmt die Bestimmungen und Kontrollen der EU. Nur die EU könnte also den Import stoppen. Und dafür müssen gewisse Voraussetzungen vorhanden sein, erklärt Kaspar Jörger vom BLV: «Pferdefleischimport werden gestoppt, wenn sie gegen das Lebensmittelrecht verstossen oder wenn die Gefahr einer Tierseuche besteht. Aus Tierschutzgründen können wir in der Schweiz kein Verbot erlassen.»

Immerhin: Die EU führte 2016 in Uruguay eine Kontrolle durch und stellte grosse Mängel bei der Rückverfolgbarkeit und beim Tierschutz fest. Daraufhin gab sie Empfehlungen ab und setzte für diesen Frühling Nachkontrollen an. Danach will die EU entscheiden, ob ein Importstop verhängt wird, wie schon 2015 für Pferdefleisch aus Mexiko.

Im «Espresso»:

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Vorgaben der Importeure: «Reiner Wunschzettel»

Der Verband Schweizer Pferdefleischimporteure hält indes weiter am Import aus Übersee fest. Er versucht anhand eigener Kriterien, den Tierschutz vor Ort zu verbessern. Josef Pittino erklärt: «Für die Qualitätssicherung haben wir ein Handbuch erstellt, das Prozesse umschreibt, wie unsere Lieferanten arbeiten sollen. Ausserdem werden die Lieferanten von der internationalen Zertifizierungsstelle SGS vor Ort auditiert.» Je nach Ergebnis müsse ein Betrieb nachbessern oder sei nicht mehr als Lieferant dabei. Auch 2018 sollen die Schlachthöfe in Südamerika auditiert werden. Die Ergebnisse stehen noch aus.

Der Verband betont, dass die SGS in ihrem Auftrag seit vier Jahren auf den im Beitrag gezeigten Schlachthöfen in Uruguay und Argentinien unangemeldete Kontrollen durchführt. Der Verband will jetzt mit der Zertifizierungsstelle klären, wie es zu den gezeigten Bilden gekommen ist. Zudem betont der Verband, dass sein Handbuch zur Qualitätssicherung auf den Höfen in Südamerika in den letzten fünf Jahren sieben Mal überarbeitet und mit strengeren Kriterien versehen wurde.

Sabrina Gurtner vom Zürcher Tierschutzbund verspricht sich von solchen Massnahmen wenig. Die Umsetzung dieser Richtlinien sei in solchen Ländern schwierig, kritisiert sie: «Das Handbuch hat keine gesetzliche Verbindlichkeit und es gibt auch keine Sanktionen. Ein solches Handbuch ist ein reiner Wunschzettel.»

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