- Daniel M. spionierte im Auftrag des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) gegen deutsche Steuerfahnder.
- Die Schweizer Bundesanwaltschaft lässt den Privatermittler M. in Deutschland auffliegen.
- Sein Verteidiger Valentin Landmann fordert eine politische Aufarbeitung der Vorgänge: Vor Gericht stehe eigentlich die Schweiz.
Ein Schweizer Spion schnüffelt in Deutschland – und fliegt auf. Peinliche Schlagzeilen für die Schweiz. Seit der Verhaftung von Privatermittler Daniel M. im April dieses Jahres versuchen die Behörden in Bern, den Schaden möglichst gering zu halten. Jetzt zeigen Recherchen der «Rundschau»: Die schweizerische Bundesanwaltschaft hat Daniel M. wohl möglicherweise ans Messer der deutschen Justiz geliefert.
Strafbefehle dank Daniel M.
Der Hintergrund: Auf dem Höhepunkt des Steuerstreits zwischen der Schweiz und Deutschland kaufen Steuerfahnder des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen brisante CDs. Auf den Speicherplatten finden die Fahnder Kundendaten deutscher Staatsangehöriger mit Schweizer Bankkonten – Verdacht auf Steuerflucht.
Die Steuerflucht bedeutet für Deutschland Milliardenverluste. Der Kauf der CDs ist für die Schweiz ein Verstoss gegen das Bankgeheimnis. Darum setzt die Schweiz zum Gegenschlag an und will den Datenklau stoppen.
Habe den 90'000-Euro-Auftrag erhalten.
Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) setzt auf den Zürcher Privatermittler Daniel M., einen ehemaligen Polizisten und früheren Sicherheitsmitarbeiter der Bank UBS. Tatsächlich kann er 2011 über seine Kontakte in Deutschland die persönlichen Daten von deutschen Steuerfahndern beschaffen. Das ist wohl die Grundlage für die schweizerische Bundesanwaltschaft, im März 2012 Festnahmebefehle gegen drei mutmassliche CD-Käufer aus Nordrhein-Westfalen zu erlassen.
Daniel M. und der NDB kommen jetzt gemäss den Akten dick ins Geschäft: «Habe soeben telefonisch den Zuschlag für den 90'000 Euro-Auftrag erhalten!», schreibt M. einem Geschäftspartner.
Bundesanwaltschaft in der Mauss-Falle?
Für Valentin Landmann, Verteidiger von Daniel M., ist der Angeklagte ein echter Patriot: «Daniel M. hat im Auftrag des Nachrichtendienstes des Bundes gehandelt. Vor Gericht steht eigentlich die Schweiz.»
Denn ohne Wissen von Daniel M. ermittelte ausgerechnet die schweizerische Bundesanwaltschaft gegen ihn. Diese verdächtigte ihn, selber mit Bankdaten zu handeln. Recherchen der «Rundschau» zeigen: Die Ermittlungen der Schweizer Bundesanwaltschaft gegen den angeblichen Schweizer Spion Daniel M. hat ein illustrer, deutscher Privatagent eingefädelt: Werner Mauss.
Mauss ist in Geheimdienstkreisen bekannt und weist spektakuläre Ermittlungserfolge auf der ganzen Welt auf. Und er hat beste Verbindungen zur UBS in Zürich.
Über den Rechtsdienst der UBS ist es Mauss gelungen, Daniel M. bei der schweizerischen Bundesanwaltschaft im Herbst 2014 als vermeintlichen Datendieb zu überführen. Er stellt Daniel M. eine Falle und es gelingt ihm, diesen mittels einer gefilmten Geldübergabe selber als Datendieb zu zeigen (Bild).
Der deutsche Privatspion Mauss hat also den Zugriff der Bundesanwaltschaft auf Daniel M. initiiert und geplant.
Daniel M. fliegt auf
Es kommt zur Verhaftung von Daniel M. durch die Bundesanwaltschaft: Die «Rundschau» zitiert aus einem Memo von Werner Mauss an die deutschen Behörden: «Am 2. Februar 2015 traf ein verdeckter Ermittler der Schweizer Bundesanwaltschaft durch meine Vermittlung Herrn [Daniel] M. entsprechend dem Festnahmeplan, den ich für den Bundesanwalt entwickelt und geschrieben hatte, im Hotel Savoy in Zürich.»
Nach seiner Verhaftung berichtet Daniel M. bei der Einvernahme ausführlich über seine Tätigkeit für den Nachrichtendienst des Bundes (NDB). Aber für ihn kommt es noch dicker: Die schweizerische Bundesanwaltschaft schickte seine Aussagen ausgerechnet dem Anwalt von Strippenzieher Mauss. Denn Mauss stand mittlerweile selber im Visier der Bundesanwaltschaft und hatte deshalb Recht auf Akteneinsicht.
Valentin Landmann, Verteidiger von Daniel M., schämt sich für die Bundesanwaltschaft. Besonders kritisch beurteilt er die Rolle von Carlo Bulletti, leitender Staatsanwalt des Bundes: «Ich habe den Eindruck gewonnen, dass Werner Mauss den Bundesanwalt Carlo Bulletti praktisch im Griff gehabt hat. Er ist zur Marionette von Mauss geworden, und das darf nicht passieren.»
Keine Auskunft zu laufendem Verfahren
Carlo Bulletti und die Bundesanwaltschaft sind zwischen die Fronten zweier Privatspione geraten: Dem Deutschen Werner Mauss und dem Schweizer Daniel M.
«Mauss ist es gelungen, Bulletti für seine Zwecke und gegen die Schweiz einzuspannen», sagt Rechtsanwalt Landmann. Dieser Vorgang brauche eine politische Aufarbeitung, fordert er gegenüber der «Rundschau».
Die Bundesanwaltschaft und der NDB äussern sich nicht zu den «Rundschau»-Recherchen. Sie verweisen auf die laufenden Verfahren in der Schweiz und in Deutschland. André Marty, Kommunikationschef der Bundesanwaltschaft, schreibt: «Das öffentliche Interesse an besagter Person und den entsprechenden Strafverfahren ist durchaus nachvollziehbar. Gleichzeitig unterstehen die Strafverfolgungsbehörden, im Unterschied zu Beschuldigten-Vertretern, dem Amts- und Untersuchungsgeheimnis.»