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Rentenreform und Frauenfrage Das vergessene Geschlecht der 2. Säule

Die Reform der 2. Säule ist eine Grossbaustelle in Bundesbern – auch die Situation der Frauen soll verbessert werden.

Eine Frau, die sich nach ihrem Berufsleben pensionieren lässt und in Rente geht, bekommt im Durchschnitt 63 Prozent weniger Rente aus der 2. Säule als ein Mann. Der Grund für diesen enormen Unterschied: Männer arbeiten meistens 100 Prozent – und Frauen nicht, erklärt Colette Nova, Vizedirektorin des Bundesamtes für Sozialversicherungen.

Wer im Erwerbsleben grosse Unterbrüche habe, den Beschäftigungsgrad starke herunterfahre oder gar nicht arbeite, habe weniger oder gar keine Rente: «Diese Situation haben wir heute vor allem bei den Frauen.»

Problem erkannt – Lösung gesucht

Weil sich die Frauen also primär um die Kinder kümmern, haben sie eine tiefere Erwerbsbeteiligung. Weil viele auch weniger verdienen als Männer, zahlen sie weniger in die Rentenversicherung ein und haben dann tiefere Rente.

Die Pensionskassen-Reform

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Legende: Keystone

Die Reform der 2. Säule ist eines der grossen Themen der aktuellen Legislaturperiode. Der Bundesrat hat vor den Weihnachtsferien den Vorschlag der Sozialpartner – des Arbeitsgeberverbandes und der Gewerkschaften – in die Vernehmlassung geschickt. Dieser sieht eine Senkung des Mindestumwandlungssatzes und verschiedene Kompensationsmassnahmen vor, um das Rentenniveau zu halten. Der Vorschlag ist umstritten, insbesondere die Kompensationsmassnahmen.

Wirklich ändern könne sich das nur, wenn sich die Erwerbskarriere von Mann und Frau angleiche, sagt Nova. Aber: «Man kann in der Versicherung gewisse Dinge ändern und die Situation damit verbessern.»

Hier setzten die Gewerkschaften und der Arbeitgeberverband an, als sie sich im April 2018 daran machten, einen Kompromissvorschlag für eine Reform auszuarbeiten.

Der Bundesrat hat uns Sozialpartnern ein Ziel mitgegeben: Leistungserhalt. Für uns aus Gewerkschaftssicht war aber völlig klar, dass für die Frauen endlich etwas gehen muss.
Autor: Gabriela Medici Zentralsekretärin des Gewerkschaftsbundes

Der Bundesrat habe damals zwar lediglich gesagt, die Reform dürfe nicht zu tieferen Renten führen, sagt Gabriela Medici, Zentralsekretärin des Gewerkschaftsbundes: «Er hat uns Sozialpartnern ein Ziel mitgegeben: Leistungserhalt. Für uns aus Gewerkschaftssicht war aber völlig klar, dass für die Frauen endlich etwas gehen muss.»

Konkret: Der vorliegende Kompromiss sieht einen tieferen Mindestumwandlungssatz und als Kompensation eine Senkung des «Koordinationsabzugs» vor.

Was ist der Umwandlungssatz?

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Mit dem Umwandlungssatz rechnet man das angesparte Alterskapital in eine jährliche Rente um. Massgebend für die Höhe des Satzes sind die statistische Lebenserwartung und die mutmassliche Verzinsung des Kapitals. Im Gesetz ist der Umwandlungssatz für das obligatorische Guthaben mit 6.8% festgelegt. Rechnerisch ist dieser seit Jahren zu hoch.

Und der Koordinationsabzug?

Dieser wird vom massgebenden Lohn abgezogen, um den koordinierten Lohn zu bestimmen. Der Abzug beträgt derzeit 7/8 der maximalen AHV-Rente, das entspricht 24'885 Franken. Das heisst, Pensionskassenbeiträge werden erst bezahlt, wenn das jährliche Einkommen mehr als 24'885 Franken beträgt.

Die Pointe: Damit würden die Renten der schlechter Verdienenden – trotz tieferem Umwandlungssatz – sogar noch steigen. Allerdings, und das ist das Problem: Voll profitieren von der Neuerung würden erst diejenigen, die nach Inkrafttreten der Reform zu arbeiten beginnen und dann etwa 40 Jahre später in Rente gehen.

Es ist also eine langfristige Massnahme. «Das reicht uns nicht», sagt Medici. «Eine zweite Massnahme, der ‹Rentenzuschlag›, sorgt dafür, dass mit Inkrafttreten die tiefen Frauenrenten erhöht werden. Es geht nicht, dass man das um vierzig Jahre verschiebt.»

Das Leistungsniveau für die Übergangsgeneration muss gehalten werden. Aber es soll nicht gleichzeitig ein relativ kostspieliger Ausbau realisiert werden
Autor: Hanspeter Konrad Direktor des Pensionskassensverbands Asip

Neben der langfristigen Massnahme ist der Rentenzuschlag also die kurzfristige Massnahme, um tiefe Renten aufzubessern. Doch weil die Arbeitgeber sowie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer diesen Rentenzuschlag solidarisch finanzieren – mit einem Beitrag auf dem Lohn – wehrt sich etwa der Gewerbeverband vehement dagegen.

Dieser solidarische Umlageansatz habe in der 2. Säule nichts zu suchen, kritisiert Direktor Hans-Ulrich Bigler: «Ein solch systemfremdes Element hat in einem Kapitaldeckungsverfahren wie der 2. Säule nichts verloren.»

Auch der Direktor des Pensionskassenverbands Asip, Hanspeter Konrad, wehrt sich gegen den Rentenzuschlag: «Das Leistungsniveau für die Übergangsgeneration muss gehalten werden. Aber es soll nicht gleichzeitig ein relativ kostspieliger Ausbau realisiert werden.»

CVP als Zünglein an der Waage

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Weil der Widerstand aus Wirtschaftskreisen gross ist, distanzierte sich letzte Woche auch CVP-Präsident Gerhard Pfister vom vorliegenden Rentenkompromiss. Seine Partei wird als Mitte-Partei bei den parlamentarischen Beratungen die wohl entscheidende Rolle spielen.

Pfister bekräftigt gegenüber Radio SRF zwar nochmals seine Skepsis zum Rentenzuschlag, zur Analyse der tiefen Frauenrenten sagt er aber auch: «Diese ist insofern stringent, als im Verfahren der 2. Säule insbesondere Frauen weniger Renten bilden können.» Schliesslich kämen Frauen mit Teilzeitarbeit, unterbrochenen Karrieren oder tiefen Löhnen schlechter weg.

Das seien grundsätzliche Probleme der 2. Säule, die es zu lösen gelte, so der CVP-Präsident: «Die Frage ist allerdings, ob man sie so lösen muss, wie es die Sozialpartner im Moment vorschlagen.»

Es wird also bei der politischen Diskussion über die Reform neben der Senkung des Mindestumwandlungssatzes wesentlich darum gehen, ob und wie die tiefen Renten der Frauen aufgebessert werden können. Man darf gespannt sein, welch eigene Vorschläge die CVP präsentieren wird. Die Sozialpartner sind überzeugt, dass ihr Vorschlag der einzig gangbare Weg ist.

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