Mit 67 Jahren ist Schluss: Johann Schneider-Ammann scheidet aus dem Bundesrat aus. Damit beendet der Wirtschaftsminister die monatelangen Spekulationen um seinen Rücktritt. In der Wintersession wird die Bundesversammlung seinen Nachfolger oder seine Nachfolgerin bestimmen.
Eine gute Stunde nach der Rücktrittsankündigung trat Schneider-Ammann vor die Medien. Er begründete seinen Entscheid damit, dass er nach zwei Amtsperioden und im fortgeschrittenen Alter «mit leichtem Herzen» aus dem Amt ausscheiden könne. Es sei aber nicht so, dass er keine Lust mehr gehabt hätte.
Es geht mir gut. Ich bin wach. Nur damit Sie wissen, was Sie zu schreiben haben.
Mit einem Augenzwinkern äusserte sich Schneider-Ammann zu den jüngsten Medienberichten über zunehmende Müdigkeitserscheinungen: «Wenn Sie mich fragen, wie es mir geht, kann ich Ihnen versichern: Es geht mir gut. Ich bin wach. Nur damit Sie wissen, was Sie zu schreiben haben.»
Zu seiner physischen Verfassung sagte der Berner in einer ernsteren Note: «Ich gebe gerne zu, dass ich ab und zu müde bin. Ich weiss wenigstens, weshalb.»
Nicht immer zufrieden mit Brüssel
Nach acht Jahren im Bundesrat zog Schneider-Ammann auch eine vorläufige Bilanz seines Schaffens. Die Schweiz sei heute wirtschaftlich stark und dynamisch aufgestellt, sie gelte weltweit als eines der innovativsten Länder und kenne kaum Jugendarbeitslosigkeit. «Man beneidet uns in der ganzen Welt.»
Süffisant legte der scheidende Bundesrat nach: «La Suisse est un petit paradis. Das sage ich auch, um zu beweisen, dass ich Französisch kann.» Er habe sein Schaffen immer auf «Jobs, Jobs, Jobs» ausgerichtet. Die grosse Herausforderung der Zukunft werde nun die Digitalisierung sein. Beim Freihandel sei man auf gutem Weg.
Zur Europapolitik sagte Schneider-Ammann: «Als Wirtschaftsminister war mir immer ein sicherer Rahmen wichtig, sodass Investitionen in nachhaltig gesicherten Bedingungen amortisiert werden können.» Er räumte zudem ein, dass er sich mit gewissen Bedingungen schwertue, die die EU an die Schweiz stelle.
Zur festgefahrenen Debatte um das Rahmenabkommen mit der EU und eine Aufweichung des Lohnschutzes sagte Schneider-Ammann an die Adresse der Linken und der Gewerkschaften: «Es geht nicht, dass man sich einer Diskussion verweigert.»
Bei den nicht weniger umstrittenen Rüstungsexporten vertrat der Wirtschaftsminister den Standpunkt, dass die Schweiz ihre Verantwortung wahrnehme.
Einblicke in die persönliche Befindlichkeit
2010 trat der freisinnige Berner die Nachfolge seines Parteikollegen Hans-Rudolf Merz an. Seine langjährige Führungserfahrung als Industrieller galt damals als Trumpf seiner Kandidatur. Er habe sich als Unternehmer schwergetan, in den Bundesrat einzutreten und seine Firma in andere Hände zu legen, blickte Schneider-Ammann zurück.
La Suisse est un petit paradies. Das sage ich auch, um zu beweisen, dass ich Französisch kann.
Er hätte bei seinem Amtsantritt mit einer Amtsperiode gerechnet: «Ich habe aber so viel Spass an seiner Tätigkeit bekommen, dass ich noch eine Legislatur anhängen wollte.» Seine Kinder hätten ihn damals gefragt, warum er sich seinen «Gring in der Politik zerschiessen lassen» wolle. Acht Jahre später würde er auf Berndeutsch lieber sagen: «Gring abe u seckle.» Prinzipiell sei er aber in den letzten Jahren etwas misstrauischer geworden.
Grossvater – und vielleicht wieder Unternehmer?
Schon im April hatte Schneider-Ammann angekündigt, spätestens im Herbst 2019 gehen zu wollen – also zum Ende der Legislatur. Dass er nun bereits auf Ende dieses Jahres abtritt, begründete Schneider-Ammann damit, dass er ein «Leben lang gedient» habe: «Meine Frau und ich werden nicht jünger. Ich will mich jetzt nach acht Jahren befreien.» Die sei er auch seiner Frau schuldig.
Angesichts der nicht immer positiven Medienberichte meinte der abtretende Bundesrat: «Meine Frau hat ab und zu gelitten.» Der zweifache Familienvater gab auch Einblicke in seine Zukunftsplanung. So wolle er sich künftig stärker mit seinen Enkelkindern beschäftigen: «Ich werde ein aktiver Grossvater sein und vielleicht auch wieder unternehmerische Tätigkeiten aufnehmen.»