Stolz schliesst Salome Münger ihr Klassenzimmer auf. Eine turbulente Zeit erlebt die Lehrerin in der Primarschule Guldisloo in Wetzikon, Zürich. Es sei nicht einfach gewesen so rasch ein Konzept für den Fernunterricht zu entwickeln. Mit selbstproduzierten Lern-Videos und auch dank der Unterstützung der Eltern konnte sie die letzten Wochen meistern. Am nächsten Montag dürfen ihre Erstklässler wieder zum Präsenzunterricht erscheinen.
Doch vorerst nur in Halbklassen – das hat der Kanton Zürich so entschieden. Da die Anzahl anwesender Kinder auf 15 beschränkt wurde, bereitet Münger nun ihren Arbeitsplatz vor. Klebeband am Boden ums Lehrerpult und Waschbecken soll die Kinder an die Abstandregeln erinnern. Zur selben Zeit stellt der Schulleiter Markus Linder im Schulhof Malstäbe in zwei Meter Abständen auf. Dort werden sich die Halbklassen vor Schulbeginn treffen, damit die Kinder das Schulhaus gestaffelt begehen können.
Gefühl der Unsicherheit
In der Sekundarschule Frenkendorf im Kanton Basel-Land freut sich auch Lehrer Maurizio Pinarello wieder auf den Präsenzunterricht. Doch ihm hinterlässt der Gedanke an die kommende Woche ein diffuses Gefühl der Unsicherheit. Denn im Gegensatz zum Kanton Zürich wird in Baselland in Vollklassen unterrichtet. Rund 400 Kinder werden sich ab Montag wieder auf dem Schulareal bewegen.
Pinarello hätte es bevorzugt, wenn sich der Kanton für einen Zwischenschritt entschieden hätte. Er unterrichtet Bildnerisches Gestalten. In diesem Fach, sagt er, sei es besonders schwierig die vorgegebenen Massnahmen einzuhalten. Bis am Montag, 11. Mai, bleibe ihm kaum noch Zeit sich mit konzeptuellen Fragen auseinanderzusetzen. Die Erziehungsdirektion BL versichert jedoch, dass dann praktikable Regeln gelten, mit denen die Gesundheit der Kinder geschützt werde.
Verschiedene Meinungen
Beim Thema Schulöffnung nimmt die Schweiz europaweit eine Vorreiterrolle ein. Die Organisation zur Rückkehr ins Schulzimmer bedeutet nicht nur Aufwand für das Lehrpersonal. Epidemiologen mahnen international zur Zurückhaltung. Denn verschiedene Studien besagen, dass es unklar ist, ob Kinder Virenträger und gegebenenfalls ansteckend sind.
Matthias Egger kennt diese Studien gut. Er ist der Leiter der wissenschaftlichen Taskforce des Bundes. Er findet, dass die Schulöffnung kein Experiment sei, aber man gehe ein gewisses, kalkuliertes Risiko ein. Egger steht grundsätzlich hinter dem Entscheid des Bundesrats. Er meint, man müsse das Risiko im Kontext sehen. Eine fortdauernde Schliessung der Schulen würde auch Risiken für die Kinder bergen.
Gegen eine rasche Öffnung spricht sich Virologe Andreas Cerny aus. Er arbeitet in der Covid-Klinik Moncucco in Lugano und hat in den letzten Monaten selbst erlebt, wie rasant sich das Virus ausbreiten kann. Man müsse gut überlegen, welche Massnahmen wirklich notwendig seien und schrittweise zurück in die Normalität finden. Er befürchtet, dass es sonst bald wieder zu Lockdown-Massnahmen kommen könnte.