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Schweiz «Schweizer Gesetze enthalten viel Ballast»

Immer öfter fliessen Texte von Initiativen in Schweizer Gesetze und in die Verfassung. Dieser demokratische Ansatz hat allerdings einen Haken: Die Texte von Bürgern und Parlamentariern sind häufig nicht durchdacht und deshalb mangelhaft. Das sagt ein Staatsrechtsprofessor.

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Ein neues Obligationenrecht muss her (Pascal Krauthammer).
aus HeuteMorgen vom 25.03.2013.
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 56 Sekunden.

Auf den Bundesrat wartet eine Herkules-Aufgabe: Er soll das über 100jährige Obligationenrecht revidieren. Die Texte versteht heute niemand mehr, eine Aktualisierung ist dringend notwendig.

Veraltete Gesetzestexte gehören allerdings nicht zu den Hauptproblemen in der Schweizerischen Gesetzgebung. Experten orten den grössten Handlungsbedarf anderswo. «Immer öfter findet man Ballast oder Unklarheiten in neuen Gesetzes- und Verfassungstexten», sagt Alain Griffel, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Zürich.

Versuch und Irrtum

Griffel spricht von einer Flut von nicht durchdachten und unprofessionell abgefassten Gesetzestexten in den vergangenen Jahren. Sie schienen oft auf dem Ansatz von Versuch und Irrtum zu beruhen, oder sie müssten für politische Symbolik herhalten, statt Probleme zu lösen.

Die Gründe für die mangelhaften Texte sind vielfältig. Alain Griffel ortet zwei Hauptprobleme: Einerseits kommt das Mittel der parlamentarischen Initiative immer öfter zum Zug. Dabei stossen National- und Ständeräte Vorschläge für neue Gesetze nicht nur an, sondern verfassen diese gleich selbst.

Andererseits haben Volksinitiativen Hochkonjunktur, und nie zuvor wurden so viele Initiativen auch angenommen. Sie seien zum Teil amateurhaft verfasst – wie etwa die Zweitwohnungsinitiative –, was zu Unsicherheiten und Probleme bei der Umsetzung führe.

In der letzten Legislaturperiode verfassten die Parlamentarier rund 505 Initiativen. Das Bundesamt für Justiz schätzt, dass heute 20 Prozent der neuen Gesetzestexte aufgrund von parlamentarischen Initiativen erlassen werden.

Eingereichte parlamentarische Initiativen

1991 - 19951995-19991999 - 20032003 - 20072007 - 2011
190261282372505

«Wenn Parlamentarier in Eigenregie Gesetzesentwürfe verfassen, führt dies nur selten zu überzeugenden Lösungen», sagt Staatsrechtswissenschaftler Griffel. Besser sei der Weg über die Verwaltung. Doch auch hier gebe es Probleme. So würden für die konzeptionellen Grundlagen immer seltener Experten beigezogen.

Kurt Fluri, FDP-Nationalrat aus Solothurn und selbst Jurist, kennt das Problem. Er spricht gar von einer «Instant-Gesetzgebung». «Es gibt heute das Bedürfnis, für jedes Problem ein neues Gesetz zu machen», sagt Fluri. Ein Beispiel sei das aus zeitlichen Gründen gescheiterte Auns-Referendum gegen die neuen Steuerabkommen. In der Folge sei sofort eine Korrektur der Vorschriften über die Beglaubigung der Unterschriften verlangt worden – und dies nur wegen eines einzigen Falles.

Jemand wirft Papier in einen Abfalleimer im Nationalratssaal
Legende: Gesetzestexte für den Müll? Was sich heute in den Schweizer Gesetzesbüchern findet, stösst manchem Jurist sauer auf. Keystone/archiv

Profilierung durch viele Vorstösse

Auch die Professionalisierung des Parlaments trägt nach Ansicht von Fluri zur mangelhaften Gesetzgebung bei. «Wir haben immer mehr Berufsparlamentarier, die viel Zeit und das Bedürfnis haben, sich mit vielen Vorstössen zu profilieren», sagt er. Die Flut an Vorstössen verstopfe aber die Mühlen der Verwaltung.

Rekordhalter bei den Vorstössen war in der letzten Legislaturperiode der Jurassier SVP-Nationalrat Dominique Baettig. Von seinen 166 Vorstössen waren laut eigenen Aussagen nur wenige von Erfolg gekrönt. Doch darin sieht er kein Problem: «Parlamentarische Vorstösse helfen, die Aufmerksamkeit der Medien zu erhalten.» Und dies sei Teil der Arbeit eines Parlamentariers. Die Vorstoss-Flut sei im Gegenteil Zeichen eines gesunden demokratischen Systems. Sei das System überfordert, so müsse es angepasst werden – und nicht die Anzahl Vorstösse gedrosselt. Das gelte auch für parlamentarische Initiativen.

Kurt Fluri meint, nicht das System muss angepasst werden. Vielmehr sollte man sich auf die ursprüngliche Bedeutung des Instruments rückbesinnen. Die parlamentarische Initiative sei «eigentlich nur ein Zwangsmittel des Parlaments für den Fall, dass der Bundesrat untätig bleibt.»

(roso)

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