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Angelo Barrile
Legende: Hat als Arzt erfahren, dass manche Menschen wirklich unter den Strahlen leiden: Angelo Barrile (Archiv). Keystone
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Angst vor Strahlen Arzt fragen statt Aluhut tragen: ein Gespräch mit Angelo Barrile

Die Angst vor elektromagnetischen Strahlen als Spinnerei abzutun, greife zu kurz, findet der Arzt und SP-Nationalrat.

SRF News: Herr Barrile, stellen Sie sich vor, das Christkind legt Ihnen ein iPhone 7 unter den Weihnachtsbaum. Nach den Meldungen über erhöhte Strahlenwerte des Geräts – freuen Sie sich?

Angelo Barrile: Ich bin hin- und hergerissen. Ich denke aber, das iPhone 7 ist ein Handy wie viele andere auch. Die bergen alle ihre Risiken. Und die schaue ich mir dann genauer an.

Auch alltägliche Geräte und Systeme wie Radio und WLAN setzen nichtioniserende Strahlen ab. Wie gefährdet sind wir?

Unbestritten ist: Die elektromagnetische Strahlung gibt es, man kann sie auch messen. Die wesentliche Frage ist: Hat sie einen Einfluss auf uns Menschen? Und wenn ja, ist der Einfluss gefährlich? Als Hausarzt habe ich die Erfahrung gemacht, dass es Leute gibt, denen die Strahlung nichts ausmacht – das ist die Mehrheit – und andere, die wirklich darunter leiden.

Unbestritten ist: Die elektromagnetische Strahlung gibt es, man kann sie auch messen.
Autor: Angelo BarrileArzt und Nationalrat (SP/ZH)

Als Hausarzt erfassen Sie die Strahlung als subjektiven Sachverhalt. Als Nationalrat müssen Sie aber objektiv Stellung beziehen.

Wenn der Bund den Umgang mit gesundheitsschädigenden Laserpointern regulieren will, ist das richtig. Man weiss ja, dass diese gefährlich sind. Es sind Menschen durch sie geschädigt worden, beispielsweise sind sie auch gegen Piloten eingesetzt worden. Was die beiden Räte indes auch noch diskutieren: Dürfen die Grenzwerte der Strahlenbelastung z.B. von Handyantennen mir nichts dir nichts erhöht werden?

Bei dieser Frage hat mich überrascht und erfreut, dass die Ärzteverbindung FMH empfohlen hat, mit dem Geschäft zu pausieren – weil es offenbar Hinweise gibt, dass die Strahlen wirklich gefährlich sein können. Als Parlamentarier habe ich die Pflicht, zumindest dafür zu sorgen, dass die Grenzwerte so lange nicht erhöht werden, bis uns gesicherte Erkenntnisse vorliegen.

Im 19. Jahrhundert haben die Menschen die Eisenbahn verteufelt, im 20. Jahrhundert die Mikrowelle verflucht. Hat jedes Jahrhundert (s)eine vermaledeite Technologie?

Bei der Mikrowelle haben sich die Sorgen ja teilweise bestätigt. Man hat an den Türen einen zusätzlichen Schutz angebracht, weil Kinder hineingeschaut haben und hätten geschädigt werden können. Und auch bei der Eisenbahn waren die Bedenken nicht ganz unbegründet. Zwar haben die Kühe nicht wegen des Dampfes weniger Milch gegeben. Aber Kühe, die durch zu viel vorbeifahrenden Verkehr gestresst werden, produzieren tatsächlich weniger Milch als entspannte Kühe. Was ich sagen will: Eine Angst vor dem Neuen ist auf der einen Seite ein irrationaler menschlicher Reflex. Auf der anderen Seite ist sie eine sinnvolle Vorsicht vor einer innovativen Technologie – die selten nur Gutes ohne Risiken bringt.

Die kollektive Furcht vor Strahlen ist also auch nicht Ausdruck einer neurotischen Moderne?

Vielleicht kommt man heute einfach rascher zu den massgeblichen Informationen und kann diese schneller verbreiten. Das mag in Sachen Strahlen Verschwörungstheorien befördern. Aber die verbreitete Angst vor einer neuen Technologie ist wie angetönt kein spezifisch modernes Phänomen.

Im Parlament sollten mehr Personen aus dem Medizinalsektor einsitzen.
Autor: Angelo BarrileArzt und Nationalrat (SP/ZH)

Sie haben nicht nur psychiatrische und allgemeinmedizinische Erfahrung, Sie sind auch Arzt und Parlamentarier. Haben Sie nach Ihrer Wahl Patienten gewonnen oder verloren?

Ich habe von niemandem erfahren, der nicht mehr zu mir kommen will, weil ich nun Nationalrat bin. Was ich aber bereits während des Wahlkampfs von manchen Patienten gehört habe, war dies: ‚Herr Barrile, Sie sind zwar in der falschen Partei, aber Sie wähle ich jetzt trotzdem.‘ Diejenigen, die heute einen Hausarzt suchen, werden sich andererseits sicher überlegen, ob sie sich von mir als einem SP-Nationalrat behandeln lassen wollen.

Wie wichtig ist es, dass mit Ihnen vier Ärzte im Nationalrat vertreten sind?

Weil sehr viele laufende und anstehende Geschäfte die Gesundheit und ihre Finanzierung betreffen, sollten im Parlament allgemein mehr Personen aus dem Medizinalsektor einsitzen. Dies umso mehr, als der andere Teil, die Versicherungslobby, in den beiden Räten übervertreten ist – personell und finanziell.

Wenn Sie zwischen den Geschäften etwas Luft haben, setzen Sie sich für ‚fair toys‘ ein und lassen sich als Ken in eine mannsgrosse Schachtel sperren…

Ich setze mich generell für fairere Bedingungen für die Menschen und die Natur ein. Darunter fallen auch Arbeitsbedingungen. Die Fair-Toy-Kampagne will gerade vor Weihnachten aufzeigen, dass wir Kindergeschenke wie etwa Barbie- und Ken-Puppen zwar günstig einkaufen können, die Fabrikarbeiterinnen in China das aber mit tiefen Löhnen und krankmachenden Arbeitsbedingungen teuer bezahlen.

Wenn wir wieder bei Weihnachten sind, mögen Sie vielleicht auf die Eingangsfrage eine noch klarere Antwort geben? Würden Sie das iphone 7 denn Ihrem Göttibub schenken?

Nein. Aber wie gesagt ist grundsätzlich jedes Handy potentiell gefährlich, es kommt auf die Nutzungsgewohnheiten an. Und Kinder sollten ja auch aus noch vielen anderen Gründen nicht über Stunden mit einem Mobiltelefon beschäftigt sein.

Das Gespräch führte Christine Spiess

Nichtionisierende Strahlung

Als nichtionisierende Strahlung bezeichnet man elektromagnetischen Wellen, deren Energie nicht ausreicht, um andere Atome zu ionisieren (positiv aufzuladen). Ihre Wirkung auf biologische Substanzen ist mit der Erwärmung in einem Mikrowellenherd vergleichbar. In gut leitfähigen Strukturen kann sie hohe Spannungen verursachen und etwa elektronische Geräte in ihrer Funktion stören. Dies gilt es etwa bei Herzschrittmachern zu beachten.
Nichtionisierende Strahlung wird unter anderem durch Laserpointer, Medizinlaser oder Solarien erzeugt. Aber auch Mobilfunkbasisstationen, Radiosender, Hochspannungs- leitungen, WLAN und Mobiltelefone setzen nichtionisierende Strahlung ab.

Sendebezug: Politikum 08.12.2016

Angelo Barrile

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Angelo Barrile

Angelo Barrile, Sohn sizilianischer Eltern, ist 1976 in Winterthur geboren und in Pfungen (ZH) augewachsen. Während seiner medizinischen Ausbildung war er sechs Jahre lang im psychiatrischen Bereich tätig. Seit 2012 arbeitet er als Hausarzt in Zürich. 2015 wurde er als Mitglied der SP/ZH in den Nationalrat gewählt.

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