Der Grossverteiler Migros bietet seit kurzem einen Schnelltest für HI-Virus an. Die Präsidentin der Konferenz der Walliser Ärztegesellschaft, Monique Lehky-Hagen, ist den Tests gegenüber skeptisch. Er könne Menschen in Ängste stürzen, obwohl es keinen Grund gebe.
SRF News: Wo sehen Sie Probleme bei diesem Selbsttest?
Monique Lekhy-Hagen: Es sind gute Tests. Das Problem hängt damit zusammen, dass man den guten Test im richtigen Moment beim richtigen Patienten und mit dem genügenden Vorwissen machen muss.
Sie sagen, die Tests seien zuverlässig, aber die Resultate nicht unbedingt. Heisst das, der Test kann HIV-positiv anzeigen, selbst wenn man keinen Erreger in sich hat oder umgekehrt?
Ja. Das ist eine Problematik, die viele Leute nicht verstehen. Es kommt drauf an, wann man den Test macht. Macht man ihn zu früh, direkt nach einem Kontakt, wird er negativ anzeigen. Das heisst aber nicht, dass man keinen HI-Virus hat. Es braucht Zeit, bis der Körper die Antikörper entwickelt hat, die mit diesem Test erkannt werden.
Im Gegensatz dazu kann es aber auch sein, dass der Test angibt, dass man HIV-positiv sei, obwohl man sich gar nicht mit HIV angesteckt hat. Wer dann dieses Vorwissen nicht hat, wird in Panik ausbrechen.
Das möchten wir mit unserer Warnung verhindern. Wir sind der Meinung, dass Leute, die eine Risikosituation eingingen, auch ein Risiko für andere Geschlechtskrankheiten haben.
Auch das Bewusstsein, dass viele andere Krankheiten nicht diagnostiziert werden, ist wichtig.
Diese Personen sollten sich sowieso an eine anonyme Beratungsstelle oder an eine Fachperson wenden. Sie sparen nichts, wenn sie den Selbsttest machen.
Für Sie ist dieser Selbsttest heikel, weil er ein gewisses Vorwissen braucht. Entweder man informiert sich via die Packungsbeilage oder man bezieht eine Fachperson in der Apotheke ein oder einen Arzt?
Ja, ich denke, so ist das. Man kann den Selbsttest schon machen, aber man muss sich Zeit nehmen, um genau zu verstehen, wie es sich mit diesen falsch positiven und falsch negativen Resultate verhält und wann man den Test macht. Insbesondere ist auch das Bewusstsein, dass viele andere Krankheiten nicht diagnostiziert werden, wichtig. Genau diese Krankheiten sind leider am Zunehmen in der Schweiz. Wer aus persönlichen Gründen nicht das Angebot von Fachpersonen nutzen will oder kann, der muss sich gut einlesen und wissen, wie der Test zu interpretieren ist.
Das muss man bedenken. In der Schweiz haben wir zum Glück eine rückläufige und sehr tiefe Prävalenz von HIV- Patienten.
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat sich auf Studien aus Grossbritannien und Frankreich gestützt. Dort hatten diese Tests eine grosse Wirkung. Die Ansteckung ging zurück, weil sich sehr viele Leute testen liessen. Kann man das dann nicht adaptieren?
Bei uns stellt sich die Frage anders und das hat rein mit Statistik zu tun. Ein grundsätzliches Theorem besagt, dass wenn man diesen sehr guten Test in einer Bevölkerung anwendet, bei der diese Krankheit nicht häufig auftritt – zum Beispiel in der Schweiz –, dann ergeben sich mehr falsch positive Resultate, rein aus statistischen Gründen. Bringt man diesen Test aber bei einer Bevölkerung in Umlauf, bei der eine sehr hohe Prävalenz dieser Krankheit vorhanden ist, dann ergeben sich automatisch viel weniger falsch positive Resultate. Das muss man bedenken. In der Schweiz haben wir zum Glück eine rückläufige und sehr tiefe Prävalenz von HIV Patienten. Man möchte noch die, die man nicht gefunden hat, finden. Doch das System, das sich bis jetzt bewährt hat, sollte man nicht gefährden.
Das Gespräch führte Iwan Santoro.