Neben der Beziehungspflege hat die Schweiz am WEF in Davos auch ganz konkrete Anliegen. Ein Gasabkommen mit Deutschland ist eines davon. Wie realistisch ist es, dass das doch noch zustande kommt? Deutschland hat sich davon distanziert und sagt, das gehe nur, wenn Italien auch mitmache. Martin Schmid ist FDP-Ständerat und Präsident des Schweizer Gasverbands. Er bleibt trotz des Vetos aus Berlin zu einem bilateralen Abkommen optimistisch, dass eine Vereinbarung möglich ist. Denn auch Rom und Berlin seien auf die Schweiz angewiesen.
SRF News: Wie sehen Sie die Chancen für ein Gasabkommen?
Martin Schmid: Italien beliefert schon heute das Tessin mit Erdgas. An der Nordgrenze zu Deutschland haben wir mit Kreuzlingen spezielle Versorgungssituationen. Die Schweiz liefert auch französischen Regionen Gas über das schweizerische Territorium.
Dazu kommt die Transitgasleitung, die Italien direkt mit Deutschland verbindet. 90 Prozent das Gases, das durch die Schweiz fliesst, wird am Ende in Italien oder Deutschland verbraucht und nicht von uns Schweizern. Ich bin zuversichtlich, dass der Bundesrat es schaffen wird, ein solches Abkommen unter Dach und Fach zu bringen.
Ein bilaterales Abkommen mit Deutschland war offenbar so schwierig, dass man es dort nicht wollte. Ist es nicht noch schwieriger, ein trilaterales Abkommen mit Deutschland und Italien abzuschliessen?
Ohne die Schweiz gibt es auch die Transitgasleitung nicht. Unsere beiden Nachbarn im Norden und Süden haben auch ein Interesse daran, dass das funktioniert. Ich hoffe, dass die Schweiz es schafft, sich hier gut einzubringen. In der Praxis arbeitet die Schweizer Gasversorgung extrem eng mit den Nachbarn zusammen. Die Schweiz hat zwar keine eigene Gasförderung, dafür aber eine gewisse Drehscheibenfunktion. Italien und Deutschland könnte das Argument überzeugen, dass es auch die Schweiz braucht.
Letztlich ist ein Abkommen für die Schweiz aber wichtiger als für Deutschland und Italien. Denn die Schweiz importiert ihr ganzes Gas.
Für alle ist ein Abkommen wichtig. Wenn das Gas am Ende in Deutschland fehlt, haben wir heute technisch die Möglichkeit, einen sogenannten Reverse Flow (dt. Gegenstrom) zu schalten: Es kann damit über die schweizerischen Transitleitungen Gas vom Süden in den Norden, von Italien nach Deutschland, exportiert werden. Deutschland hat ein eminentes Interesse daran, dass das funktioniert.
Gleichzeitig hat gerade die Energiekrise gezeigt, dass auch französisches Gas teilweise über schweizerisches Territorium nach Deutschland exportiert wurde. Denn die Versorgungssicherheit steigt, wenn man mehrere Bezugspunkte hat. Das muss der Ansatz der Zukunft sein und das wird auch unsere Nachbarländer überzeugen.
Das Gespräch führte Oliver Washington.