SRF News: Der neue Bericht der Digitalen Gesellschaft zeigt, dass schwere Straftaten wie Mord, Terrorismus oder Geldwäsche nur einen sehr kleinen Teil aller überwachten Delikte ausmachen. Die Befürworter der Revision des Bundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (Büpf) begründen diese aber gerade mit der Aufklärung schwerer Verbrechen. Hält die Argumentation der Realität noch stand?
Thomas Hansjakob: Die ist allerdings noch haltbar. Nimmt man beispielsweise die Zahl der Suche nach Vermissten aus der Statistik, sinkt die Zahl schon merklich. Dabei handelt es sich ja nicht um Straftaten. Bei den restlichen Straftaten weist der Bereich Betäubungsmittel den Grossteil der Überwachungen aus – und das sind die schweren Fälle. Wenn man dann richtig rechnet, liegen die Delikte gegen Leib und Leben bei immerhin knapp 12 Prozent, die Vermögensdelikte – auch die schweren Vermögensdelikte – bei über 40 Prozent.
Was ist mit Straftaten wie Terrorismus oder Vergewaltigung?
Die ganz schweren Delikte wie Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation, Terrorismus oder Vergewaltigung liegen bei den Überwachungen tatsächlich im sehr niedrigen Prozentanteil. Diese machen aber natürlich auch insgesamt einen sehr kleinen Anteil der Straftaten aus. Da ist nicht zu erwarten, dass diese bei Überwachungen einen grösseren Anteil ausmachen.
Die Zuordnung von Fundgegenständen zu Personen ist eine klassische Polizeiaufgabe.
SRF-Recherchen haben ergeben, dass rund ein Prozent der einfachen Anfragen von Fundbüros stammen, die aufgrund der SIM-Nummer beim Dienst ÜPF den Handybesitzer finden lassen. Dabei heisst es doch, dass nur beim Verdacht auf einen Straftatbestand ermittelt werden darf. Wie bewerten Sie die Handhabung der Fundbüros?
Das ist mir neu. Das Büpf sieht jedoch in Paragraph 14 Absatz 2b «die Erfüllung von Polizeiaufgaben» vor. Die Zuordnung von Fundgegenständen zu Personen ist eine klassische Polizeiaufgabe. Der Unterschied zum Telefonbuch ist nur, das man über die Datenbank des ÜPF auch die nicht registierten Anschlüsse kriegt. Im Prinzip ist dies eine Telefonbuchabfrage. Da sehe ich eigentlich kein Problem. Und: Das ist natürlich auch eine Dienstleistung an diejenigen Leute, die ihr Handy verloren haben.
In Zürich stammen die meisten dieser Anfragen von den Verkehrsbetrieben (VBZ). Dürfen die das?
Die VBZ stellen nicht direkt die Anfragen. Sie müssen das über die Polizei machen. Die VBZ geben die Gegenstände beim Fundbüro ab und das ist eine Dienststelle der Polizei und die kann dann beim ÜPF den Besitzer abfragen.
Die Daten sind ja nicht sensibel.
Laut VBS können nahezu alle Mitarbeiter auf die Daten zugreifen. Fürchten Sie keinen Missbrauch?
Die Daten sind ja nicht sensibel. Es wird nur derjenige, der als Eigentümer des Handys registriert ist, informiert.
Nur wenige Fundbüros in den Kantonen Zürich und Aargau greifen auf diese Möglichkeit zurück. Wie erklären Sie sich das?
Das kommt darauf an, wer die Fundbüros führt. Nur die kantonalen und städtischen Polizeikommandos können diese Abfragen machen. Wenn das Fundbüro nicht von der Polizei geführt wird, dann macht man das nicht. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Aargauer und Zürcher auf diese Idee gekommen sind und die anderen noch nicht.
Ein anderes sensibles Thema ist der Antennensuchlauf. Bei grossen Fällen, wie dem Mordfall Rupperswil, kam diese Methode zum Einsatz. Können solche Massnahmen, sprich Eingriffe in die Privatsphäre Hunderter, wenn nicht Tausender, aus Ihrer Sicht gerechtfertigt werden?
In der Statistik des Dienstes ÜPF für das Jahr 2016 sind 147 Antennensuchläufe ausgewiesen. Diese betrafen aber nur 19 Verfahren – darunter vier Tötungsdelikte und der Fall einer qualifizierten Vergewaltigung. Dann versteht man schon eher, warum dieses Mittel nötig ist – und dass es relativ selten eingesetzt wird. Beim Verfahren Rupperswil wurden 48 Antennensuchläufe durchgeführt und das war sicher gerechtfertigt. Da hat der Antennensuchlauf nicht die zentrale Rolle gespielt, aber es war ein Puzzleteil, das zur Aufklärung führte. Auch in anderen Fällen ist man zum Erfolg gekommen. Es gibt allerdings auch Fälle, wo man nicht zum Erfolg gekommen ist, wie beim Vergewaltigungsfall in Luzern. In St. Gallen habe ich mal persönlich einen Antennensuchlauf wegen der Überfälle auf Banken verfügt. Da war ich nicht erfolgreich. Das waren insgesamt 14 Antennensuchläufe.
Ich gehe davon aus, dass die Kosten massiv steigen werden.
Die Büpf-Revision ist nur noch Formsache. Strafverfolger fürchten allerdings eine massive Steigerung der Kosten. Fürchten Sie das auch?
Ich gehe davon aus, dass die Kosten massiv steigen werden. Das hängt damit zusammen, dass der Dienst kostendeckend arbeiten sollte. Im Moment ist das bei weitem nicht der Fall – und in den nächsten Jahren wird sehr viel investiert. Diese Kosten müssen wieder durch die Gebühren der einzelnen Überwachungen gedeckt werden. Mich stört das aber nicht, denn das führt dazu, dass man sich genau überlegt, ob man solche Massnahmen wirklich anordnet. Das kann nur im Sinne der Bürger sein, solche Massnahmen nicht bei Bagatelldelikte anzuwenden, sondern nur bei Fällen, wo es um was geht. Dann darf das ruhig auch etwas kosten.
Das Gespräch führte Oliver Roscher.