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Stagnation auf hohem Niveau Schweizer haben zu viele Kontakte für sinkende Fallzahlen

Eine Halbierung der Fallzahlen alle zwei Wochen schafft die Schweiz nicht. Grund seien die Kontakte, sagt Tanja Stadler von der Taskforce.

Beunruhigend sei die aktuelle Situation, sagte Gesundheitsminister Alain Berset am Donnerstag. Denn: Erstmals seit Wochen sinken die Fallzahlen gesamtschweizerisch nicht mehr, sie stagnieren auf hohem Niveau, und in einigen Kantonen steigen sie sogar wieder. Vom eigentlichen Ziel, dass sich die Fallzahlen alle zwei Wochen halbieren, ist die Schweiz weit entfernt.

«In Teilen der Romandie haben wir weiterhin eine Abnahme der Fallzahlen», bestätigt Tanja Stadler, sie ist Biostatistikerin an der ETH Zürich und erforscht die Verbreitung des Coronavirus. «Aber ausserhalb der Romandie haben wir in der Tat nur noch eine Stabilisierung.» Ihre Erklärung dafür lautet: «Wir alle haben zu viele Kontakte, als dass die Zahlen sich reduzieren würden.»

Ist das ursprüngliche Ziel also überhaupt noch erreichbar mit dem eingeschlagenen Weg? «Momentan sehe ich das als nicht sehr realistisch», sagt Stadler, die auch Mitglied der Corona-Taskforce des Bundes ist. «Zu Beginn haben wir schweizweit eine Halbierung alle zwei Wochen gesehen.»

Der Grund dafür sei gewesen, dass in der Romandie die Zahlen sehr schnell gefallen sind. Man habe die Hoffnung gehabt, dass auch in der Deutschschweiz eine entsprechende Dynamik einsetze. «Aber momentan sieht es leider wirklich gar nicht danach aus.»

Was tun bis Weihnachten?

Auf die Frage, was es aus epidemiologischer Sicht brauche, um bis Weihnachten eine radikale Senkung der Fallzahlen in der Schweiz zu erreichen, sagt Stadler ganz klar: «Kontakte so weit es geht in Innenräumen reduzieren. Und wenn wir dort Kontakte haben, dann mit Abstand, Maske und regelmässigem Lüften.» Denn jeder Kontakt erhöhe die Wahrscheinlichkeit, dass man sich infiziere.

Das Problem: Diese Regeln galten auch schon vorher. Bräuchte es jetzt, da die Zahlen wieder stagnieren, schärfere Massnahmen? «Es ist immer das Zusammenspiel von Massnahmen und wie wir sie alle umsetzen.» Man müsse nun einen Weg finden, sodass die Massnahmen, die wir haben, «wirklich auch von der Gesellschaft akzeptiert und umgesetzt werden», so Stadler.

«In der ersten Welle hat es eigentlich sehr, sehr gut funktioniert. Wir hatten noch einen relativ lockeren Lockdown, und dennoch hatten wir mit die schnellste Senkung der Fallzahlen im europaweiten Vergleich», erinnert sie sich. Viele Länder hätten ja Ausgangssperren verhängt. Strengere Massnahmen bedeuten demnach nicht, dass die Zahlen schneller fallen, sondern «wir müssen wirklich die richtige Kombination für uns finden».

Sie gibt aber zu bedenken: «Wenn in der Schweiz die Zahlen momentan stagnieren, dann auf einem sehr, sehr hohem Niveau.» Die Intensivstationen sind voll, die Todeszahlen sehr hoch. «Wenn die Zahlen jetzt wieder anfangen zu steigen, dann haben wir keinen Spielraum mehr, um zu reagieren. Das heisst, es ist einfach wichtig, die Zahlen erstmal nach unten zu bringen.»

Tanja Stadler

ETH-Professorin am Departement für Biosysteme

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Die Mathematikerin Tanja Stadler ist Professorin am Departement für Biosystems Science und Engineering an der ETH. Sie entwickelt Methoden, um die Ausbreitung von Virus-Epidemien zu berechnen.

SRF 4 News, 04.12.2020, 10:05 Uhr ; 

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