Ist ein psychisch schwerkranker Mensch in der Lage abzuschätzen, ob sein Wunsch zu sterben definitiv ist – oder durch die Krankheit bedingt? Am Baselbieter Kantonsgericht wird seit Freitag ein Fall verhandelt, der wegweisend sein könnte für die Praxis der Sterbehilfe in der Schweiz.
Im Kern geht es um die Frage, ob psychisch kranke Menschen auch ein Recht auf den Freitod haben. Es ist gesetzlich nicht klar geregelt, bei welchen Diagnosen ein psychiatrisches Fachgutachten notwendig ist.
Der Vorwurf: Psychiatrisches Gutachten fehlte
Der Fall geht zurück auf eine damals 66-jährige psychisch kranke und suizidale Frau, die Erika Preisig – Ärztin und Präsidentin der Sterbehilfeorganisation «Eternal Spirit» – vor fünf Jahren in den Freitod begleitet hatte. Der strafrechtlich strittige Punkt dabei ist, dass Preisig kein unabhängiges psychiatrisches Gutachten zur Urteilsfähigkeit der Patientin eingeholt hatte.
Die Staatsanwaltschaft wirft der Ärztin vorsätzliche Tötung vor, weil sie ihrer Sorgfaltspflicht nicht genügend nachgekommen sei.
Vor dem Baselbieter Kantonsgericht verteidigte Erika Preisig am Freitag ihr Vorgehen erneut. Dabei ging es wiederum vor allem um den strittigen Punkt der Urteilsfähigkeit der Patientin. Sie habe die Frau nie als explizit depressiv und entsprechend stets als urteilsfähig wahrgenommen, so Preisig.
War die Frau urteilsfähig?
Preisig hätte, um sich rechtlich abzusichern, aber trotzdem gerne einen Psychiater oder eine Psychiaterin für ein Gutachtern beigezogen, sagte sie. Aufgrund von Erfahrungen aus der Vergangenheit habe sie dieses Unterfangen aber als aussichtslos beurteilt. Unzählige Anfragen um psychiatrische Gutachten seien stets abgewiesen worden. Bei Todeswünschen werde hier abgeblockt.
Den Vorwurf aus dem gerichtlichen Fachgutachten, dass sie die Willensäusserung mit Urteilsfähigkeit verwechselt habe, wies Preisig als nicht nachvollziehbar zurück. Die Patientin habe stets ein hohes Mass Erkenntnisfähigkeit offenbart, was auf ihre Urteilsfähigkeit schliessen lasse.
Wegweisender Fall für Sterbehilfe
Das Kantonsgericht wird das Urteil am 7. Mai eröffnen. Es ist davon auszugehen, dass der Fall damit aber nicht abgeschlossen sein wird.
Der Fall Preisig hat für die Sterbehilfe in der Schweiz einen wegweisenden Charakter. Es geht nicht zuletzt um die Klärung der gesetzlich nicht geregelten Frage, bei welchen Diagnosen ein psychiatrisches Fachgutachten notwendig ist. Es ist davon auszugehen, dass das Bundesgericht in diesem Fall das letzte Wort haben wird.