«Einfach alles absagen, das kann doch nicht sein», sagte sich der Berner Musiker Ritschi. Corona stellte das Leben des ehemaligen Sängers der Band Plüsch auf den Kopf. Seine Musical-Hauptrolle bei den Thunerseespielen: abgesagt. Die Konzerte mit seiner Band: abgesagt. Album-Verkäufe und Sponsoren hielten ihn einigermassen über Wasser, aber seine Musiker würden überhaupt nichts mehr verdienen, sagt er zu SRF News.
Damit seine Band zumindest einen Auftritt in diesem Jahr spielen und auch die Fans dabei mitfiebern können, hat Ritschi Ende November ein sogenanntes Streaming-Konzert organisiert. Er und seine Band spielen auf der Bühne des Bierhübeli in Bern. Ohne Publikum im Saal.
Das Publikum sitzt Zuhause. 25 Franken kostet ein Ticket für einen Einzelhaushalt. Die Fans erhalten per Mail einen Link und singen dann von zu Hause aus bei Liedern wie «Umami», «Schisstäg» oder «Stahn uf» mit. Knapp 250 Personen haben bereits Tickets gekauft oder das Projekt finanziell unterstützt.
Auch die Leute haben das Bedürfnis, ein Konzert zu sehen.
Ein Sponsor bezahlt die Fixkosten für die ganze Produktion. Die Gage für die Musikerinnen und Musiker sammelt Ritschi über die Crowdfunding-Plattform «wemakeit» . 4000 Franken braucht Ritschi um die Gagen zu decken. Drei Tage vor Schluss sind bereits über 15'000 Franken zusammengekommen. «Wir haben gemerkt, dass bei den Leuten das Bedürfnis da ist, ein Konzert zu sehen», sagt der Musiker.
Neue Wege in der Schweiz
Mit dem Streaming-Konzert geht Ritschi in der Schweiz neue Wege. «Er ist einer der ersten und auch der prominenteste Musiker, der dies macht», sagt SRF-Musikredaktor Gerni Jörgler. Mit diesem Konzert verdiene Ritschi sogar relativ viel Geld. «Das ist aber nur für ein Konzert», meint Jörgler. Er bezweifelt, dass dieses Modell immer und immer wieder funktionieren wird.
Gleich mehrere Streaming-Konzerte organisiert die Zürcher Band Baba Shrimps ab Anfang Dezember. Ihre Auftritte sind an speziellen Orten, zum Beispiel auf dem Jungfraujoch. Dabei können die Fans zum Ticket auch noch ein Raclette und Wein nach Hause bestellen.
International habe diese Art von Konzerten durchaus Potenzial gezeigt, sagt Gerni Jörgler. Die bekannte US-Sängerin Billie Eilish und die Rockband Foo Fighters haben es gemacht und auch die britische Sängerin Dua Lipa plant ein Streaming-Konzert.
Ersetzt Live-Konzerte nicht
Zukunft werde das Modell aber kaum haben, vor allem nicht in der Schweiz, meint Gerni Jörgler: «Da ist die erste Priorität, dass man live bei den Leuten spielt.» Und ohne Publikum fehle etwas am Konzert.
Ein Streaming-Konzert kann die Erlebnisse nicht abdecken, die man live hat.
Auch Musiker Ritschi glaubt nicht daran, dass dieses Modell Zukunft haben wird. Höchstens als Zückerchen: «Falls ein Konzert ausverkauft ist, könnten wir zusätzlich Streaming-Tickets verkaufen», meint Ritschi.
Für die nächsten Monate sieht er jedoch Potenzial. Seine Idee: Firmen, die nicht so hart von der Coronakrise getroffen wurden, könnten solche Streaming-Konzerte für die Weihnachts-Firmenessen finanzieren. «Ich hoffe, dass dies der Szene Mut macht, die Krise mit innovativen Ideen zu überstehen.»